Mozarts „Titus“ an der Semperoper
Regisseurin Bettina Bruinier lässt in Mozarts „La clemenza di Tito“ an der Semperoper Fuchs und Adler zusammentreffen und vereint so Oper und Fabel auf neuartige Weise.
Irgendwie scheint es clever, Mozarts messerscharfen musikalischen Figurencharakterisierungen in „La clemenza di Tito“ ein tierisches Gesicht zu verleihen. So wird der milde Herrscher Titus (Steve Davislim ) in der aktuellen Inszenierung an der Semperoper zum Adler und dessen durchtriebene Angebetete Vitellia (Amanda Majeski ) zur schlauen Füchsin. Regisseurin Bettina Bruinier gibt dem Stoff damit eine ganz neue, ironisch-fabelhafte Ebene (Kostüme: Mareile Krettek). Abgesehen davon spielt die Geschichte um Verrat und Güte an der Semperoper aber genau dort, wo Mozarts Librettist Pietro Metastasio sie 1791 anlegte: im alten Rom (Bühne: Volker Thiele). Dort überflügelt Adler Titus sein Reich, während Füchsin Vitellia und Hund Sesto (Anke Vondung) Intrigen spinnen (Foto: PR/Matthias Creutziger). Alle drei brillieren mit grandiosen Sangesleistungen. Vor allem Steve Davislim verfügt stimmlich über alles, was Mozarts Herrscherpartie braucht.
Spätestens im zweiten Akt, Rom ist längst in Schutt und Asche gebrannt, gerät das Tierfigurengefüge der Inszenierung jedoch ein wenig ins Wanken. Hund Sesto ist der Erste, der seine tierische Maske zugunsten reuiger Menschlichkeit fallen lassen darf. Der Zuschauer jedoch muss nach den bunten Szenen des ersten Aktes nun ein eher statisches Spiel in Kauf nehmen. Nicht nur die Masken der Protagonisten, auch die der Inszenierung scheint sich an dieser Stelle zu lüften, wird die Reduktion der eigentlich bis heute universell gültigen Oper auf eine klassische, eher brave und daher langweilige Lesart nun überdeutlich. Spannend ist hier allein die musikalische Interpretation von Sängern und Staatskapelle unter der Leitung Tomáš Netopils. Auch wenn der Schlusschor am Ende noch einmal zur gewaltigen Szene gerät, so bleibt das Werk insgesamt zwar als gelungene, jedoch keinesfalls herausragende Regiearbeit in Erinnerung.
Nicole Czerwinka
(erschienen in Hochschulzeitung „ad rem“ Nr. 15 vom 06.06.2012)
Semperoper Dresden, wieder am 08.06. und 15.6., 19 Uhr