Weills „Viel Lärm um Liebe“ an der Staatsoperette
Der Komponist Kurt Weill (1900-1950) ist wohl vor allem für die „Dreigroschenoper“ (1928) bekannt. Die Staatsoperette schenkt Dresden zum Saisonstart nun die europaweit erste szenische Aufführung seiner Broadway-Operette „Viel Lärm um Liebe“ (1945, Original: „The Firebrand of Florence“). Und diese ist ganz anders, als das, was man gemeinhin von Weill so kennt. Die Musik klingt wie aus einem Revuefilm der 50-Jahre, die Melodien sind schwärmerisch, fast schwelgend, die Texte (Ira Gershwin, Deutsche Fassung: Roman Hinze) oft keck und frech. Wer das Stück sieht, dem wird schnell klar, warum man Weill gern vorwirft, er hätte nach seiner Emigration nach Amerika die ernsthafte Musikgattung gegen die sogenannte niedere, sprich: unterhaltsame getauscht.
Mit der Inszenierung von Holger Hauer lädt die Staatsoperette ihr Publikum nun dazu ein, sich ohne diese Vorurteile mit dem deutsch-amerikanischen Gesamtwerk Kurt Weills auseinanderzusetzen. Und Hauer macht die Operette zu dem, was sie jenseits des großen Teiches sicher auch einmal war: ein kunterbuntes, bilderreiches Spektakel aus dem Reiche der unbekümmerten Unterhaltung, das hier oft filmisch und märchenhaft, manchmal auch überladen und etwas derb daherkommt.
Die Handlung (Buch: Edwin Justus Mayer) basiert sehr frei auf den Memoiren des florentinischen Bildhauers Benvenuto Cellini (1500-1571), dessen Werke bis heute leibhaftig in Florenz herumstehen, und der im Stück zur Hauptfigur wird. Cellini ist ein geschwätziger Gernegroß und Frauenheld. Im Auftrage des Herzogs von Florenz meißelt er eine große Statue nach dem Bild der schönen Angela, doch soll er aufgrund seines ausschweifenden Lebensstils mehrfach in der Operette hingerichtet werden. Miljenko Turk gibt diesen sprunghaften Künstler voller Energie und singt seine Partie zur Premiere trotz Erkältung in einem angenehmen Duktus.
Seine zweifache Begnadigung verdankt dieser Cellini in erster Linie den Frauen, denn auch die Herzogin hat ein Auge auf den smarten Bildhauer geworfen. Elke Kottmair erscheint in der Rolle dieser eher kühlen, berechnenden Medici, die nur auf das Eine aus ist, wie eine überzeichnete Comicfigur. Mit blauen Haaren, pelzbesetztem Mäntelchen, silbernem Rock (Ausstattung: Christoph Weyers) und ihrem gehässig grausamen Lachen ist sie die exzentrische Lady im Stück. Ganz anders dagegen die bescheidene, schöne Angela im weißen Kleid, die sich wahrhaftig in Cellini verliebt. Olivia Delauré ist eine reizende, anfangs fast zerbrechlich wirkende Angela, die mit ihrer zarten, in den Höhen angenehm perlenden Stimme sowohl in Arien als auch Duetten überzeugt.
Kein Wunder, dass der Herzog, Alessandro von Medici, wiederum mit der Gunst dieses jungen Bildhauermodells liebäugelt und Angela kurzerhand aus Cellinis Atelier entführt. Bryan Rothfuss verleiht dem selbstgefälligen bis narzisstischen Neurotiker im langen schwarzen Pelz eine gehörige Portion Komik und bewegt sich auch stimmlich auf hohem Terrain. Unter der Leitung von Andreas Schüller lässt das Orchester der Staatsoperette Dresden die Weill-Partitur dazu mit Schwung und dem für das Stück gebührenden Pathos wiederauferstehen.
Ballett und Chor der Staatsoperette (Chor: Thomas Runge, Choreografie: Christopher Tölle) machen die europäische Renaissance dieser Revue auf der Leubener Bühne wunderbar komplett. So geht es durch opulente Bühnenbilder also hin und her, von der fröhlich wuselnden Galgenszene am Beginn, über Cellinis helles Bildhaueratelier, zur überaus grünen Spielwiese des Herzogs und seiner Frau, bis nach Paris, wo schließlich – Wie sollte es anders sein? – das versöhnliche Happy End auf Cellini und Angela (Foto: PR/Kai-Uwe Schulte-Bunert) wartet.
Alles in allem also doch ganz schön viel seichte Unterhaltung, die hier serviert wird. Ab und an gewürzt mit ein paar unnötigen Albernheiten, von der platten Übersetzung der Vorlage ins Deutsche mal ganz abgesehen. An manchen Stellen wünscht man sich schlicht etwas weniger der bunten Fülle. Dennoch gedeiht dieser deutsch-amerikanische Operettenabend mitten in Dresden am Ende zu einem fulminanten Spektakel, das den Spielplan des Hauses gekonnt um eine echte Broadway-Operette ergänzt und das Wissen der Zuschauer um eine Weill-Facette erweitern möge. Schon allein deshalb ist dieser florentinische Liebesreigen doch durchaus sehenswert.
Nicole Czerwinka
Kurt Weills „Viel Lärm um Liebe“ an der Staatsoperette Dresden, wieder am 5. und 6. November sowie am 18. und 19. Dezember und 28., 29. Januar, jeweils um 19.30 Uhr