Jördis Lehmann gestaltet das „Plastische“ am Theater
Am liebsten würde sie in ihr Atelier ziehen. „Zu Hause habe ich Werkzeug, hier habe ich Werkzeug, das ist anstrengend!“, erklärt Jördis Lehmann (Foto: Josefine Gottwald). Die Diplom-Designerin mit Schwerpunkt Theaterplastik hat sich vor zehn Jahren mit einer Kommilitonin unter dem Namen „Werk 2“ selbstständig gemacht – und das, obwohl beide eine Zusage von der Leipziger Oper hatten.
Ihr erster Kunde bestellte einen riesigen schwimmenden Gartenzwerg, erinnert sie sich. „Wir haben gesagt, wenn der nächste Auftrag wieder so deprimierend wird, hören wir auf!“ Heute fertigt sie Kostüme, Puppen und Kulissen für fast alle Theater in Dresden, und die Werkstatt in der Erlenstraße ist mittlerweile viel zu klein geworden. Zwischen Büsten und Ölgemälden stapeln sich Eimer und Farben, Nadel und Faden, aber auch Messer und Meißel, Reste von Schaumstoff, Bauschaum und Styropor.
Sie sagt, das Schönste an ihrem Beruf sei, dass man sich ständig für neue Probleme individuelle Lösungen einfallen lassen muss – dabei näht sie einem Hasen die Nase an. Das Studium der Theaterplastik gibt es nur in Dresden an der Hochschule für bildende Künste. Die wenigen Studenten, die durch die Eignungsprüfung kommen, lernen dort nicht nur Steinbildhauerei und Bronzeguss, sondern auch Fliesen legen und tapezieren.
Die Spezialität der Designerin sind Konstruktionen aus Peddigrohr, einem Rattan-ähnlichen Naturmaterial, das sich mit Heißluft biegen lässt. Daraus baute sie schon einen schwimmenden Drachen für die Zauberhafte Nacht der Nymphen in Moritzburg, der dann überraschend bei der Dresdner Schlössernacht wieder „auftauchte“.
Gerade in der Kostümplastik sind stabile Gerüste essentiell; ob ein Kleid mit Flügeln oder ein Pferd, in dem Menschen stecken – Jördis Lehmann kreiert alles, was über die Arbeit eines Schneiders hinausgeht. Haema wirbt mit plüschigen Blutbeutel-Maskottchen, die sie selbst entwickelt hat. Das letzte Kostüm war der Spion aus der „Hochzeit des Figaro“ für die Semperoper. Passenderweise musste das eine monströse Grüne Stinkwanze sein.
Dabei arbeitet sie immer unter Zeitdruck. Jetzt erweckt sie Puppen für „Das singende klingende Bäumchen“ zum Leben; zur Kostümprobe müssen sie ins Wechselbad. Wie im Märchen sind der Vorstellungskraft kaum Grenzen gesetzt: Die Praktikantin bemalt sechs Tauben, von denen vier fliegen und zwei Körner picken können, der verrückte Hase bekommt ein Geweih und der riesige Fisch auf Rädern soll über einen „See“ fahren.
Gebastelt hat Jördis Lehmann schon immer gern: Als Kind fand sie die Puppen in den Läden nicht so schön; von da an baute sie selbst welche – aus allem, was ihr in die Hände fiel. Eine von ihnen trug den Lieblingsschlafanzug ihrer Mutter. „Aber ich habe wirklich nur ein Stück vom Saum abgeschnitten!“, lacht sie.
Linktipp: www.werk-2.biz