Shakespeares „Was ihr wollt“ am Schauspielhaus
Stücke von William Shakespeare kann man auch mit noch so schrägen Regieideen nicht verhunzen, meint man. Denn Shakespeare ist zeitlos, lustig und vielseitig, er nimmt einem nichts übel. Andreas Kriegenburgs Inszenierung von „Was ihr wollt“ am Dresdner Schauspielhaus ist dennoch mächtig daneben gegangen. Schon die erste Szene provoziert ein Stöhnen im Publikum. Drei Soldaten stehen da, in roten Uniformen, an der linken Bühnenwand hängen Fahnen mit einem großen „I“ – oder ist es gar eine große Drei? –, die sofort Assoziationen an die Symbolfarben des Dritten Reichs wecken. Die eigentlich federleichte Handlung von „Was ihr wollt“, wo jeder mit jedem und doch keiner glücklich sein will, wird hier in einen absurden, ja geradezu lächerlichen Militärstaat projiziert.
Nuschelnd, in den letzten Parkettreihen nur schwer verständlich, betritt dann Christian Erdmann als trollig doofer Führer-Herzog Orsino die Bühne, verscheucht seine „Boys“ mit protzigen Worten und träumt doch heimlich von der schönen Olivia. Doch warum eigentlich? Der Sinn erschließt sich nicht, stattdessen macht sich Langeweile breit. Langeweile bei Shakespeare! Wer hätte das gedacht? Das wird auch in den kommenden drei Stunden nicht besser, wobei – und das muss hier in aller Deutlichkeit gesagt werden – die Darsteller ihr Bestes geben. Was kann Nele Rosetz als Narr auch dafür, dass die Witzchen, die Kriegenburg aus dieser Neu-Übersetzung des Stückes von Frank-Patrick Steckel herauspresst, alles andere als witzig, sondern bestenfalls billiger Klamauk sind?
Überhaupt ist in dieser Aufführung vieles nicht lustig, was eigentlich Komödie sein will. Da wird mit Wasser gespritzt, Schaum über der Bühne verteilt, geschubst, gestolpert, mit Hitler-Attitüden um sich geworfen – lachen kann darüber keiner. Und nochmal: Es liegt nicht an den Schauspielern, die sich bewundernswert in diesem Konglomerat aus modernem (!) Text, Musik, Gleichschritt und bunten Sermon behaupten. Yohanna Schwertfeger ist ein entzückender Cesario, Christian Erdmann ein wunderbar treudoofer Führer und Philipp Lux schafft es sogar, als selbstverliebt plappernder Malvolio einen kleinen Lichtschein auf diese Inszenierung zu werfen. Trotzdem will der Funke einfach nicht überspringen.
Die Militärgesellschaft auf der Bühne schlittert (und scheitert) durch absolutes Chaos, serviert am laufenden Band Klischees auf dem Goldtablett. Dabei bleibt der Kern des Stückes unberührt, das Beziehungsgewirr der liebestrunkenen Shakespeare-Gesellschaft versinkt im Diffusen. Raffiniert ist hier allein das Bühnenbild. Andreas Kriegenburg hat einen hellen Kasernenraum geschaffen, in dem ab und an graue Säulen aus der Decke nach unten fahren – oder eben wieder hinauf. Das bleibt in Erinnerung, obwohl der Inhalt für dieses interessante Säulenspiel fehlt, weil ständig alle nur hin und herrennen, oder eben marschieren. Dazwischen einmal Spitzenhöschen (Kostüm: Marion Münch), etwas Grapschen, ein paar Handschellen, viel seichter Humor, aufgepeppt mit Musik und Gesang.
So wirkt die Inszenierung bald wie eine Collage aus Theaterfetzen der unterschiedlichsten Genres, die sich partout nicht zu einem stimmigen Bild vereinen wollen. Manches scheint grenzenlos übertrieben, vieles übertrieben bis ins Grenzenlose. Das Stück will und will nicht enden. Doch dann sagt Holger Hübner in der Rolle des Sir Toby (natürlich in Uniform!) einen Satz, der aufmerken lässt. Auf die Frage: „Was suchst Du?“, antwortet er: „Ich habe den Dings, hier … den Faden verloren … Es war so ein roter …“ – Alles klar. Immerhin ein Punkt, der erstaunlich gut auf diesen Shakespeare-Abend zutrifft.
Shakespeares „Was ihr wollt“ am Staatsschauspiel Dresden, wieder am 10.2., 27.2., 7.3., 22.3., 26.3., 5.4., immer 19.30 Uhr