Die Sänger der HfM spielen „My Lady’s Affair“
Die Geschichte vom stotternden Blumenmädchen Eliza, dem der angesehene Phonetik-Professor Higgins zu einem noblen Sprachgebrauch verhilft, kennt wohl spätestens seit Frederick Loewes Musical „My Fair Lady“ (1956) fast jedes Kind. Kaum jemand weiß jedoch, was sich hinter dieser bezaubernden Liebesstory verbirgt, die auf George Bernhard Shaws „Pygmalion“ (1913) beruht.
Shaw schrieb dieses Stück einst der Londoner Schauspielerin Stella Patrick Campbell auf den Leib, mit der den damals schon über 50-jährigen Autor eine Liebesaffäre samt einem später über 40 Jahre währenden Briefwechsel verband. Elisabeth Holmer ist als Professorin für szenisches Sprechen gleichsam die Higgins der HfM und hat diese tragische Liebesgeschichte zwischen Shaw und seiner Stella nun für ihre Studenten in ein unterhaltsames und humorvolles Schauspielstück verwandelt.
Eigentlich als modernes Sprech- und Spieltraining für angehenden Sänger konzipiert, beschert ihre My-Fair-Lady-Adaption „My Ladie’s Affair“ an der Probebühne der HfM einen jugendlich ungezwungenen Theaterabend, der in erfrischendem Kontrast zu den großen Produktionen renommierter Schauspielhäuser in der Stadt steht. Elf Studenten spielen dabei auf der kleinen Bühne inmitten des auf Papphockern platzierten Publikums eine äußerlich glanzvolle Gesellschaft, in der mehr der Schein als das Sein regiert.
Die Geschichte von „My Fair Lady“ ist hier im Hochschulalltag mitten in Dresden angesiedelt, Higgins lehrt als exzellenter Phonetiker an der TU Dresden – und Eliza verkauft mit der typischen Berliner Schnauze einer Cindy aus Marzahn Blumen, weil sie kein BAföG bekommt. Der Unterricht beim renommierten Professor – alle müssen auf ihren Papphockern ein bisschen nach hinten rücken, um dem feinen Herrn die ihm gebührende Bühne zu verschaffen – scheint der Hoffnungsschimmer für dieses herrlich einfache Mädel, um endgültig aus dem Säufermilieu ihrer Familie auszubrechen.
Doch daneben gesellt sich an der HfM noch eine andere Handlung. Die „wahre“ Geschichte über George Bernhard Shaw und seine Stella nämlich, die ihm zuliebe „diese kleine Schlampe“ spielen möchte, obwohl der Dialekt sie womöglich noch umbringen wird. Wie ein Spiegelbild ist dieser Hintergrund dem eigentlichen „Pygmalion“-Stoff entgegengesetzt, verschmilzt ab und an jedoch mit dem Stück, in dem sich die Darsteller immer wieder selbstironisch auf das Spiel im Spiel beziehen.
Es ist jedoch kein großer Stoff, sondern gerade die Leichtigkeit und Einfachheit (auch der Mittel), mit der die Studenten ihn präsentieren, die die Faszination dieses zweistündigen Schauspiels ausmachen. Die Requisiten beschränken sich auf einige bunte Schirme und einen kleinen Silberring, alle Mädchen treten in schwarzen, schlichten Kleidern im Stile der 20er auf, die Männer tragen Anzüge. Hinzu kommt die Nähe zum Publikum, die die Geschichte unmittelbarer und noch ironischer wirken lässt.
Jeder ist ein Teil dieses humorvollen Spiels mit dem Spiel, das sogar während der Pause an der schon mehrfach im Stück erwähnten „Snackbar“ im Hochschulfoyer weitergeht. Spätestens hier wird jeder selbst Teil dieser smarten Gesellschaft und kann sich nun live von Elizas Sprachfortschritten überzeugen, während er zu Wein und Knabbereien greift. Indes treten zwei Studentinnen ans Mikro, um gediegene Jazzsongs zu präsentieren – zwei weitere kleine Höhepunkte mitten in der Pause, die den Abend der Musikhochschule wiederum zu einem kulturellen Geheimtipp wachsen lassen.
Scheinbar ganz nebenbei gedeiht die heute unverzichtbare Schauspielausbildung für junge Sänger so von einem festen Teil des Studiencurriculums zu einer Bereicherung der Dresdner (Sub-)Kultur, die mit unverbrauchter Kreativität und noch dazu bei freiem Eintritt in den Musentempel gegenüber dem künftigen Kulturkraftwerk lockt.
Wieder am 16.3., 16 Uhr in der HfM und am 17.3., 18 Uhr am Landesgymnasium für Musik/Aula Kretschmerstraße 27; weitere Vorführungen sind im Mai 2014 geplant, Kartenreservierungen unter Tel.: 0351/492 36 96