Die Weihnachtsstimmungskiller – Eine Kolumne
Ob es nun an meiner bis dato sehr guten Adventslaune lag oder an einer durch eine leichte Erkältung zugezogenen Umnachtung – aber ich habe mich tatsächlich getraut, an einem Samstag auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen. Ich muss verrückt gewesen sein!
Wir schrieben Nikolaus, der Tag vor dem zweiten Advent. Wäre ich bei klarem Verstand gewesen, hätte ich mir insbesondere diesen Tag nicht für einen Besuch des Striezelmarktes ausgesucht. Aber wie erwähnt, umwölkte mich ein Schnupfen und so sammelte ich eine Freundin ein und wir fuhren mit der Straßenbahn Richtung Altmarkt. Und mit jeder Station, die wir unserem Ziel näher kamen, wurde uns der Wahnwitz dieser Aktion deutlicher vor Augen geführt. Denn das normaler Weise gut ausgeglichene System des Öffentlichen Personennahverkehrs – Menschen steigen aus, andere steigen ein – schien gänzlich außer Kraft gesetzt und so füllte sich die Bahn nur noch. Am Postplatz ergoss sich dann schließlich der komplette Inhalt der Tram auf die Straße. Und gerade als wir uns freuen wollten, wieder atmen zu können, sahen wir das Grauen.
Wenn es in der Straßenbahn schon eng war, dann steuerten wir nun auf einen wahren Menschenklumpen zu. Doch es nützte nichts, wir hatten uns fest vorgenommen, den Striezelmarkt zu sehen und einen Glühwein zu trinken. Ganz traditionell sozusagen. Also ließen wir uns in die sich träge voranschiebende Masse hineinziehen und trieben von Stand zu Stand an den üblichen Verdächtigen vorbei: Naschwerk, wohin man sah. Auf der anderen Seite fand sich Weihnachtsdekoration aus dem Erzgebirge neben feinsten Spitzenhängerchen und den neuesten Räuchermännchen-Modellen. Auch zahlreiche Glühweinstände fanden sich auf dem Weg durch die sich windenden Budengassen – doch alle so voll, dass wir beschlossen, uns fort vom Altmarkt und hin zum Neumarkt zu begeben. Aber leichter gesagt, als getan.
Denn als wir uns ziemlich genau in der Mitte des Platzes wiederfanden, ging es weder vor noch zurück. Eine zähe Masse wie Karamell verstopfte die Hauptschlagader des Weihnachtsmarktes. Und ähnlich wie im Körper drohte auch hier bald ein Infarkt. Das Stimmengewirr um uns herum wurde immer lauter und auch wenn wir nicht jede Sprache wortwörtlich verstanden, so wurde der wachsende Unmut doch deutlich transportiert. Einzig Ellenbogen halfen hier noch – eine Maßnahme, die ich ansonsten zutiefst verabscheue. Aber letzten Endes konnten wir uns erfolgreich aus dem Pulk herauskämpfen. Nichts wie weg, dachten wir uns und nahmen querfeldein die Frauenkirche ins Visier.
Und siehe da – obwohl auch hier immer noch genug Menschen an den Ständen vorbeischlenderten, so war die Atmosphäre doch bei weitem entspannter. Durch das Motto „Weihnachten vor 100 Jahren“ schien insgesamt ein ausgeglicheneres Publikum angelockt zu werden. Mit Blick auf traditionelles Handwerk und dem Gesang des dreistimmigen Chors im Ohr genossen wir endlich unsere wohlverdiente heiße, weiße Schokolade mit Vanille. Und ganz nebenbei blendeten sich das nicht wirklich winterliche Wetter und die nervende Menschenmasse aus – und die Weihnachtsstimmung hielt wieder Einzug …
Fotos: Silvana Arndt