Barokksolistene ernten Beifallsstürme
Musik aus Tavernen und Pubs in England und Skandinavien verortet man auf den ersten Blick sicher nicht im Programm der Dresdner Musikfestspiele. Was hierzulande auch kaum einer weiß: Im späten 17. Jahrhundert, als die Theater in England aus religiösen Gründen geschlossen waren, wandelten sich viele Pubs, auch „alehouses“ genannt, in Music-Houses, in denen Musiker intime Konzerte vor bierdurstigem Publikum spielten. Die Barokksolistene um den begnadeten Geiger Bjarte Eike (Foto: PR/Eivind Kasin) haben genau diese Musik aus der Mottenkiste befreit, in eigene Arrangements gepackt und machen es mit ihren „Alehouse-Sessions“ damit nun genau umgekehrt: Sie zaubern sie lauschige Pub-Atmosphäre in altehrwürdige Konzertsäle, legen stilecht erst dann los, wenn sie ein Bier neben sich stehen haben, spielen, tanzen, singen, scherzen und transportieren dabei pure Lebensfreude.
Das Ensemble spielt in unterschiedlichen Formationen, es ist kein festes Projekt, sondern ein sich stets wandelndes, kreatives Universum, das der Norweger Bjarte Eike mit seinen Mitstreitern stets weiterentwickelt. Im Palais im Großen Garten rissen acht Barokksolistene am Freitag (29.5.) das Publikum mit ihrem Konzert förmlich von den Sesseln – und bescherten damit ganz sicher einen der schönsten Abende des aktuellen Festspieljahrgangs. Als die Landschaft des Großen Gartens in der untergehenden Sonne draußen fast wie auf den Gemälden von Caspar David Friedrich strahlte, verliehen die Musiker drinnen der alten Pub-Musik fast jazzigen Groove, verblüfften zudem steppend, gaukelnd, scherzend und mit kleinen, humorvollen Zwischenspielen, die an Shakespeares Theater erinnern.
Anekdotische Erzählungen wie „A story about beer“ gehören bei ihnen genauso zum Programm wie Gesang und zündende musikalische Improvisationen. Alles in allem wirkt das unheimlich spontan und lässig. Es gründet sich jedoch auf einem virtuosen, sensibel abgestimmten Zusammenspiel aller Teile. Jeder der Jungs auf der Bühne beherrscht sein Fach exzellent. Frontmann Bjarte Eike gibt mit seiner Violine dabei klar den Ton an, fiedelt nicht nur schmissige Pubmusik, sondern lässt sein Instrument auch melancholisch zirpen, ehrfürchtig flüstern oder gefühlvoll raunen. Ab und an stoppt er das Spiel für einige Sekunden, musiziert mit seinen Ensemblekollegen sogar in Zeitlupe, um dann jedoch richtig auszuflippen. Steve Player legt die Barockgitarre gern mal zur Seite und tanzt dazu. Thomas Guthrie macht Gesang mit tiefer Stimme zum Ereignis. Zum Schluss stimmen die Barokksolistene sogar einen (deutschen!) Kanon, ein Spaßlied über Butter und Zahnweh, mit dem Publikum an, das leger auf Sofa und Stühlen zurückgelehnt zum Teil tatsächlich mit einstimmt.
Ein Konzert in diesem Format hat man im Palais im Großen Garten bislang wohl noch nicht erlebt. Wahrscheinlich könnten die Barokksolistene nach diesem Auftritt sogar jede Woche hier auftreten und würden den Saal – der ebenso wie ihre Musik aus dem 17. Jahrhundert stammt – ohne Probleme voll kriegen. Am Ende dieses wirklich stimmungsvollen Abends jedenfalls ernten sie Beifallsstürme, als könne das Konzert mit gediegener Pub-Atmosphäre immer und immer so weiter gehen …