Shen Hou aus China und schreibt Musik für Dresden
Shen Hou plaudert gern und eloquent über seine Heimat. Der Musikstudent ist 1990 in China geboren, er wohnt erst seit Oktober 2014 in Dresden. Vor dem großen Portal der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden (HfM) erzählt er in sehr gutem Deutsch, warum es ihn hierher verschlagen hat: „Deutschland ist eine Quelle zeitgenössischer Musik für mich. Die Ausbildung an den Hochschulen hier ist besser als in China, denn die musikalische Tradition ist viel größer als in meiner Heimat“, sagt er.
Bevor Shen Hou nach Dresden kam, studierte er von 2008 bis 2013 an der Hochschule für Musik Wuhan in China Komposition. Seit 2013 lebt er in Deutschland, nahm zunächst in Berlin und Leipzig privaten Kompositionsunterricht, unter anderem bei Claus-Steffen Mahnkopf. „Es gibt hier wichtige Veranstaltungen für neue Musik, das ist ganz anders als in China“, erzählt der 25-Jährige. Im Rahmen einer neuen Konzertreihe des Klangnetz Dresden, die im Hygienemuseum unter dem Motto „An die Freunde“ verschiedene Aspekte von Freundschaft musikalisch beleuchtet, kommt in Dresden am 18. Juni erstmals ein Stück des Studenten zur Aufführung.
Komposition als Schnittpunkt zwischen Ost und West
Shen Hou hat sich viele Gedanken darüber gemacht, wie er dieses Auftragswerk des Klangnetz am besten komponieren sollte. Die Partitur hat er im Rucksack neben sich liegen. Ein bisschen aufgeregt ist er jetzt schon, wenn er daran denkt, dass sie am Donnerstag zum ersten Mal im Konzert erklingt. „Es ist eine große Ehre“, sagt er. Doch das Komponieren habe ihn auch Energie gekostet. Der Schnittpunkt zwischen musikalischen Kulturen in China und Deutschland ist das Thema seines Werks. Ein Thema, mit dem sich der junge Komponist sehr intensiv beschäftigt hat, seit er in Deutschland lebt. Seine Komposition heißt „Z“, was für den Anfangsbuchstaben von „zwischen“ steht. Dieses „Zwischen“ lotet Shen Hou in seinem Werk nun musikalisch aus.
„Die Komposition hat mehrere Ebenen. Ich habe akustische Instrumente und elektronische Musik verwendet, es gibt Geräusche und Normaltöne, auch eine Radioaufzeichnung und ein traditionelles chinesisches Lied habe ich verarbeitet. Es geht mir um die Schnittpunkte zwischen westlichen und östlichen Kulturen“, sagt er. Das Stück erzählt so auch ein bisschen seine eigene Lebensgeschichte, denn Shen Hou möchte mit seiner Komposition die verschiedenen musikalischen Elemente aus China und Deutschland miteinander verbinden.
Ensemble Courage spielt Uraufführung und zwei andere asiatische Werke
Interpretiert wird das Werk vom Ensemble Courage, das neben „Z“ an diesem Abend noch zwei andere Werke asiatischer Komponisten aufführen wird. Das ist zum einen der koreanische Komponist Isang Yun, dessen Todestag sich 2015 zum 20. Mal jährt und der sein Leben lang musikalisch zwischen Nord- und Südkorea vermittelte. Zum anderen ist es eine Komposition seines Schülers Toshio Hosokawa aus Japan. Hosokawas Musik ist von der Spannung zwischen westlicher Avantgarde und traditioneller japanischer Kultur geprägt. In dieser Dreierkonstellation beleuchtet das Konzert die Beziehungen zwischen den drei Ländern und asiatischen Komponistengenerationen, die in Europa studieren und arbeiten.
„Ich denke schon, dass ich mich zur dritten Generation zählen kann“, sagt Shen Hou. Er ist derzeit der einzige chinesische Kompositionsstudent an der HfM. Der Kontrast zwischen der Kultur seiner Heimat und der deutschen werde auch weiterhin ein wichtiges Thema seiner Werke bleiben, sagt er. „Vielleicht gehe ich irgendwann zurück nach China. Es ist ein interessantes Land voller Kontraste“, erzählt Shen Hou dann. In China habe man eine andere Perspektive auf das Leben, nicht alles wird so streng geplant wie in Deutschland. „Politisch natürlich ist man dort nicht so frei, aber die Kultur ist sehr vielfältig“, sagt der junge Komponist. Zunächst jedoch will er sich ganz auf sein Studium an der HfM konzentrieren – und vielleicht hier noch weitere Kompositionen an der Schnittstelle zwischen Ost und West schreiben.
Konzerttipp: 18.6., 19.30 Uhr, Deutsches Hygienemuseum Dresden