Hayk Sukiasyan studiert Cello in Dresden und spielt Konzerte in der ganzen Welt
„Musik ist eine ehrliche Kunst“, sagt der junge Cellist Hayk Sukiasyan. „Der Zuhörer spürt, ob sie vom Herzen kommt, ob der Musiker seine Sache ernst nimmt.“ Der 21-Jährige stammt aus Armenien, ist dort in einer sehr kunstsinnigen Familie groß geworden. Mit acht Jahren begann er Cello zu lernen. „Meine Eltern haben das Instrument ausgewählt, weil es der menschlichen Stimme sehr nah ist. Das war eine gute Entscheidung“, erzählt Hayk an einem nassen Wintertag bei einer Tasse grünem Tee in einem Dresdner Café. Es ist eine Freude, sich mit dem Cellisten über Musik zu unterhalten.
Denn Hayk Sukiasyan nimmt seine Sache ernst. Seine braunen Augen leuchten, wenn er Anekdoten von Konzerten und Begegnungen mit Musikern, Dirigenten oder Komponisten erzählt. Zum Beispiel die Geschichte von einer Cellostunde bei seiner Lehrerin in Jerewan: „Sie hat mich eine Stelle, die noch nicht saß, vielleicht 35 Mal wiederholen lassen. Solange, bis mir vor Anstrengung die Tränen in den Augen in standen. Als ich mich zu meiner Mutter umsah, die gern bei meinen Musikstunden zusah, merkte ich, dass auch sie Tränen in den Augen hatte“, berichtet er. Doch auch auf diese Weise sind das Cello und die Musik ein Teil von ihm geworden. „Der Beruf formt die Persönlichkeit, wenn du dich deiner Aufgabe ganz verschreibst“, sagt er – und das hört sich nicht an wie eine Floskel, sondern wie die Überzeugung eines tiefsinnigen, jungen Mannes, der weiß, was ihm wichtig ist.
Der Beruf formt die Persönlichkeit, wenn du dich deiner Aufgabe ganz verschreibst.
Drei Jahre hat der Armenier am Komitas State Conservatory in Jerewan studiert, bevor er 2013 für das Studium bei Ramon Jaffé an die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber nach Dresden kam. Kurz darauf gewann er den 3. Preis beim Richard Bellon Wettbewerb im Saarland. Er lacht, als er das erzählt, weil er es selber kaum fassen konnte. Im November 2015 führte ihn eine Tournee mit dem Belgischen Jugendorchester nach Leuven/Belgien und in seine Heimat Armenien, wo er mit der Philharmonie Jerewan konzertierte. Ebenfalls ein Glücksumstand, den Hayk Sukiasyan im Gespräch mit einem sympathischen Lächeln quittiert, bevor er von eine besonderen Begegnung mit zwei Komponisten im Oktober erzählt: Bei einem Workshop an der Hochschule in Dresden traf er Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm. „Der Kurs bei Lachenmann war sehr interessant. Wir haben uns mehr unterhalten, als geübt. Er hat einen philosophischen Zugang zur Musik, das hat mir eine neue Welt eröffnet. Das offene Gespräch mit ihm bedeutet mir sehr viel“, schwärmt der Cellist.
Er liebt es, über Stücke zu philosophieren, sich in Werke hineinzuversetzen, Weltanschauungen aus den Noten zu lesen und die Musik ganz zu erfassen. Er spielt meist das klassische und romantische Repertoire, nur manchmal Zeitgenössisches. Trotz des Studiums in Dresden ist Hayk Sukiasyan viel unterwegs. So wie viele Musiker aus Armenien, die in der ganzen Welt verstreut sind. „Das ist eigentlich verrückt, dass ich hier in Dresden nur selten ein Konzert gebe“, sagt er selbst. Es liegt auch daran, dass Dresden für junge Musiker jenseits der Hochschule kaum Möglichkeiten für Konzerte bietet. In einer Stadt mit zwei Orchestern von Weltrang haben es junge Solisten schwer.
Hayk Sukiasyan gibt dennoch Konzerte, sogar ungewöhnlich viele für einen Cellisten in seinem Alter. Er hat ein großes Kontaktnetz und viele Freunde. Als Solist konzertierte er etwa mit dem Armenian National Philharmonic Orchestra, dem State Youth Symphony Orchestra of Armenia und dem Belgian Youth Orchestra. Er arbeitete mit den Komponisten Vache Sharafyan und Tigran Mansurian, auch mit Musikern wie Zakhar Bron, Felix Renggli, Peter Csaba, Jesus Lopez Cobos oder Matthias Foremny zusammen. Er spielte in den USA, Canada, Frankreich, Belgien, Spanien, Holland und Österreich, beim Bayreuther Osterfestival, der Thüringer Sommerakademie und dem Encuentro de Musica y Academia Santander.
Wenn du das, was du machst, mit Interesse verfolgst, dann beherrscht es dein Leben.
Ebenso lang ist die Liste der Meisterkurse, die der 21-Jährige besuchte: Er lernte von Manuel Fischer-Dieskau, Eduard Brunner, Natalia Prishepenko, Daniel Geiss, Ralph Kirshbaum, Alexander Chaushian, Suren Bagratuni, Ronald Leonard und Medea Abramyan, um nur einige zu nennen. Wichtig sind ihm aber nicht nur die Namen der Cellisten und Orchester, mit denen er bereits spielen durfte. Es liegt ihm besonders am Herzen, dass auch sein Großvater in diesem Portrait erwähnt wird: „Er war kein Musiker, aber ein sehr wichtiger Mensch für mich, wie ein zweiter Vater. Er hat mich geprägt, meine Entwicklung sehr beeinflusst“, erzählt Hayk. Obwohl er sehr gut Deutsch spricht, unterhalten wir uns inzwischen auf Englisch, weil er so viel besser ausdrücken kann, was ihn bewegt.
In erster Linie ist das die Musik. „Musik ist mein Leben. Wenn du das, was du machst, mit Interesse verfolgst, dann beherrscht es dein Leben“, sagt er – und erzählt zum Schluss noch, wie die Musik auch sein Leben in Dresden positiv beeinflusst hat: „Ich habe mich hier am Anfang sehr einsam gefühlt, alle Kontakte, die ich hatte, waren in Armenien“, sagt er. „Doch dann wurde ich von einem Ensemble angefragt, ob ich bei einem Konzert einspringen kann. Mit den anderen ist in diesem Konzert eine tiefe Freundschaft entstanden. So hat die Musik für mich hier eine ganz wichtige Verbindung zu sehr guten Freunden gestiftet.“