Spielbrett will mit „Heimatabend“ tief tauchen, paddelt aber eher flach
Der Valentinstag soll ja eigentlich zur fröhlichen Verliebtheit anregen. In diesem Fall wurde der Theaterabend am Rudi jedoch endlos lang. So lang, dass wir am Ende richtig wütend waren. Wütend, wie schon lange nicht mehr. Und eines noch vorweg: Es ist normalerweise nicht der Stil dieser Seite, Dresdner Laientheater allzu derb zu verreißen, aber dieses Mal fällt es tatsächlich schwer, sanfte Worte zu finden.
Es war einmal ein „Heimatabend“ der Theatergruppe Spielbrett. Ein sicher gut gemeintes Stück, das tief in die Geschichte und Mentalität der Deutschen und des Deutschseins hinabtauchen wollte. So wie man das eben ganz gern tut in Zeiten, in denen manche laut skandierend als DAS vermeintliche Volk mit Recht auf demokratische Mitbestimmung durch malerische Altstadtkulissen walzen. Da kann so eine theatrale Suchbildinszenierung nach DEM Deutschsein schließlich nie schaden. Vielleicht wird sich der eine oder andere im Publikum dabei gar bewusst, dass Nationalstolz im Land der Dichter und Denker meistens eher unangebracht ist.
Spielbretts „Grimm“ erwacht 1830
Die Inszenierung von Ulrich Schwarz beginnt also tatsächlich ein wenig wie im Märchenbuch, in dem die eifrig kehrende Erzählerin zunächst die Schuhe des Publikums auf Staub- und Schmutz abklopft, bevor man eintreten darf, in den Zuschauerraum. Ihr Grimm erwacht im Jahr 1830, Rotkäppchen und der böse Wolf sind auch dabei. Später werden sogar die Protagonisten der RAF wachgeküsst wie einst Dornröschen unterm Dornenzweig und eifrige DDR-Bürger bauen auf, wo es nur geht. Doch soweit ist es erst im zweiten Teil dieser sagenhafte drei Stunden andauernden Aufführung. Denn es ist ein sehr langer Abend, der schlaglichtartig wichtige Stationen Deutsch(Deutsch)er Geschichte reflektiert. Die lässt sich schließlich nicht in fünf Minuten beschreiben.
Dafür auf der Bühne aber mit vielen Wortspielen versalzen, immer mit einem Scherz zwischen den Zeilen, chronologisch, aber nicht unbedingt historisch korrekt. Schließlich ist es ja ein Märchen. Das deutsche Märchen mit dem irren Untertitel „Wirr ist das Volk“, dargeboten von wirklich engagierten Laiendarstellern, die das Letzte geben, den Zuschauer aber dennoch reichlich ermüdet in die Nacht entlassen. Die Dramaturgie im Ganzen klappert, weil sie sich auf das reine Abspulen des Gewesenen konzentriert, scheinbar beliebig Szenen herausgreift und auswalzt, vage mit Klischees jongliert und den versprochenen Tauchgang ins deutsche Herz so zu einem Badeausflug ins Flachwasser verkitscht.
Selbstgefällige Gebärden und flache Gags
Spätestens als drei Eva Brauns im Brautkleid über ihre Beziehung zu Hitler plappern, ist der Gipfel der Geschmacklosigkeit erklommen. Das kann nicht mal mehr als Klamauk durchgehen! Die Inszenierung entgleist in selbstgefällige Gebärden, deutsche Selbstironie verkommt zur ziellosen Selbstdarstellung, die in der Fülle an Geschichtsmaterial seit 1830 zudem schier ertrinkt. Der rote Faden des Märchens ist vom Weg abgekommen, verwirrt, so wie Hänsel und Gretel im Wald. Es sehnt sich der Zuschauer nach seiner Couch und Sinnlosserien auf RTL. Die sind zwar auch nicht geistreich, aber wenigstens unterhaltsam.
3 Kommentare
Würden Sie bitte Ihre Kritik etwas detailieren?
Insbesondere der Punkt der von Ihnen angedeuteten falschen Chronologie
interessiert mich hier.
Wo habe Sie in dem Theaterstück etwas chronologisch
falsch „abgespultes“ wahrgenommen?
Und was empfinden Sie denn so geschmacklos
wenn Eva Braun auftritt?
Welche Szenen deutscher Geschichte wären Ihrem
empfinden nach in so einem „Tauchversuch“ denn
unbedingt Pflicht gewesen und hätten Ihr
Beliebigkeitsempfinden denn weniger aufgeregt?
Könnten Sie vielleicht auch darlegen wann Ihnen
das Selbstdarstellerische zu sehr auf den Geist ging.
Als Darsteller solllte man doch immer etwas Spaß
am Spiel haben und Introvertierte sind meist
auf der Bühne wenig aussagefähig.
Also ist etwas Selbstdarstellung meist nötig.
Gleichzeitig wiederspricht sich diese Beschreibung mit den
ersten eher positiven Aussagen das die engagierten
Laiendarsteller das Letzte gaben.
Schade das bei Ihnen die Vorstellung so schlecht ankam.
Das das Stück sicherlich unvolkommen und mitunter
auch langweilig sein mag ist möglich.
Bisher alledrings erhielten wir enige sehr positive Rückmeldungn
und anscheinend sah das sogar ein Kritiker der DNN auch so.
Nun ja man kann es nicht jedem Recht machen.
Der von mir sehr geschätzte DNN-Kollege hat eine gute Kritik geschrieben und einige der Wortspiele im Sück auch klug aufgelöst. Dennoch: Ich habe es anders gesehen/empfunden und möchte mich dafür auch nicht weiter rechtfertigen. Kritiken sind immer subjektiv.
Ungenaue Verrisse ohne Erläuterung zeugen
dann allerdings auch nicht gerade von anständiger
journalistischer Qualität.