Das Landesjugendorchester Sachsen lässt die Sonne Perus im Konzertsaal scheinen
Musik ist die einzige Sprache, die überall auf der Welt verstanden wird. Wie keine andere eignet sie sich daher, den lebhaften Austausch der Kulturen anzustoßen. So geschehen auch im 50. Projekt des Landesjugendorchesters Sachsen (LJO), das die jungen Musiker als Kulturbotschafter des Freistaats zehn Tage lang nach Peru führte. Gemeinsam mit peruanischen Schülern erarbeiteten sie in Lateinamerika ein äußerst facettenreiches Programm, führten es dort viermal auf (Foto: PR/Stephan Flad) und brachten es mit einem Rucksack voller Eindrücke schließlich mit zurück nach Dresden. Im Konzertsaal der Hochschule für Musik verknüpfte das LJO am Sonnabend (15.10.) dabei Werke beider Kontinente zu einem einzigartigen Konzerterlebnis.
Den verheißungsvollen Auftakt bildete der sachte wogende Mexikanische Walzer „Dios Nunca Muere“ (Gott stirbt nie) aus der Feder des Komponisten Macedonio Alcalá (1831–1869). Das schwungvoll verträumte Stück breitete unter der Leitung von Milko Kersten sachte seine Flügel im Saal aus – und schien wie gemacht als Einstimmung auf die nun folgende Sinfonia concertante für Violine, Violoncello, Oboe, Fagott und Orchester von Joseph Haydn (1732–1809). Leichtfüßig trat das Orchester hier in freudigen Austausch mit den Solisten Janis Reutemann (Violine), Paul Philipp Winter (Violoncello), Mathilde-Sophie Salzmann (Oboe) und Hannah-Katharina Philipp (Fagott). Die Geigerin Janis Reutemann hatte dabei den wohl schwierigsten und größten Part zu bestreiten, und meisterte die spielerischen Finessen des Stücks mit schüchterner Virtuosität.
Mit der europäischen Erstaufführung der „Suite Peruana“, die der Dresdner Kompositionsstudent Enrico Olivanti (*1988) dem Orchester vor der Abreise sozusagen als Gastgeschenk für die Peruaner auf den Leib geschrieben hatte, gelangte der Abend schließlich zu einem ersten Höhepunkt. Das zweiteilige Stück beschreibt zunächst im lauten, dissonanten Jammerton Ärger und Trauer über einen auf Rufe nicht antwortenden Gott – und endet schließlich mit der harmonievollen Antwort der Göttin (Violine: Lydia Stettinius). Das Orchester brillierte in der Interpretation dieser kontrastreichen Stimmungen, die das Bild der nach einer heftigen Gewitternacht wieder aufgehenden Sonne erzeugten.
Eben diese Sonne entwickelte nach der Pause jedoch erst richtig Kraft: Mit den Variationen über ein Thema von Haydn von Johannes Brahms (1833–1897) war nun wieder ein Werk aus Europa an der Reihe. Und nun schien es so, als würde sich das Orchester langsam von den Strapazen, die ein solches Projekt eben auch bedeutet, freispielen. Sachte würzten die jungen Musiker europäische Präzision mit lateinamerikanischer Leidenschaft, spielten mit Verve und Hingabe und brillierten in der Vielfalt der Variationen, die sie lebendig und voller Energie aufscheinen ließen. Das war aber erst ein kleiner, zarter Vorgeschmack auf den brodelnden Ausklang.
Denn der Abschluss des offiziellen Programmteils fiel mit Aldemaro Romeros (1928–2007) Fuga con Pajarillo kurz darauf entsprechend gelöst und lebhaft aus, spätestens jetzt wurde deutlich: Das Orchester hat nach dieser Reise viel zu erzählen. Endlich konnten sich die Musiker fallen lassen, legten leidenschaftlich los, kosteten die improvisatorischen Freiräume in dem pulsierenden Stück gebührend aus und brachten den Saal vollends zum Kochen. Johannes Kürschner legte auf der Violine als i-Tüpfelchen ein virtuoses Solo hin, vereinte spielerische Leichtigkeit mit Präzision. Bald zog auch das Orchester mit lateinamerikanischen Rhythmen nach. Es wirkte fast wie ein Befreiungsschlag nach zehn intensiven Projekttagen und der langen Heimreise am Freitag.
Man muss Organisatoren wie der Projektleiterin Ulrike Kirchberg vom Sächsischen Musikrat danken, die solche Projekte mit viel Herzblut auf die Beine stellen und mit Mitteln des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst sowie mit Sponsorengeldern überhaupt erst möglich machen. Die Verbindungen, die Musik über Ländergrenzen hinaus schafft, sie sind an diesem Abend auch für die Zuhörer spürbar geworden. Am Ende tobte der Saal, das Publikum stimmte in die Zugabe bald klatschend mit ein – und während sich die Musiker auf der Bühne glücklich in den Armen lagen, verließ mancher Besucher noch mit roten Wangen, erhitzt von dem lateinamerikanischen Feuer, ebenso glücklich den Saal.
PS: Wer mehr über die teils abenteuerliche Reise des Landesjugendorchesters nach Peru wissen möchte, der sollte mal auf dem BLOG des LJO vorbeischauen!