Maximilian Schnaus lebt als Komponist in Residence jetzt drei Monate lang in Dresden
Maximilian Schnaus arbeitet als Organist in Berlin und zog im November als Stipendiat der Stiftung Kunst und Musik für Dresden an die Elbe. Im Rahmen seines Stipendiums soll der 30-Jährige (Foto: privat) sich drei Monate lang mit Musikern und Ensembles in Dresden vernetzen und neue Kompositionen schreiben. Wir haben ihn gefragt, was er hier genau vorhat.
Du bist Stipendiat der Stiftung Kunst und Musik für Dresden und darfst jetzt drei Monate hier wohnen und komponieren. Wie ist es dazu gekommen?
Soweit ich weiß, war es kein offenes Verfahren, sondern die Mitglieder der Auswahljury sollten mögliche Stipendiaten benennen, das war bei mir auch der Fall. Dass ich dann wirklich ausgewählt wurde, hat mich natürlich enorm gefreut.
Hast Du schon mit Dresden auf Tuchfühlung gehen können? Welchen Eindruck hast Du von der Stadt?
Über die Schönheit der Altstadt, aber auch über die spürbaren Narben der Geschichte muss ich den Dresdnern wahrscheinlich nichts erzählen. Interessanter sind die Menschen. Was sie hier ausmacht, ist schwer in Worte zu fassen, zumal nach so kurzer Zeit. Aber es gibt etwas Besonderes hier, einen besonderen Geist. Ich habe mich auf Anhieb sehr wohl gefühlt.
Was treibt einen jungen Komponisten heute um? Was inspiriert dich für Deine Arbeit?
Mich inspiriert in irgendeiner Form immer die Realität, die Wirklichkeit, in der wir leben und unsere Sichtweise darauf. Auch wenn das vielleicht merkwürdig klingt, oft inspirieren mich Störungen, zwischenmenschliche, technische, in der Kommunikation. Ich würde mich zum Beispiel als „digital native“ bezeichnen und habe miterlebt, wie sehr die Digitalisierung uns und unser Denken verändert hat. Ich will Facebook, Google und Youtube auch nicht einfach kulturpessimistisch verteufeln, ich gehe selbst täglich damit um, aber ich finde, dass der Einfluss auf die Psyche der Menschen verharmlost wird. Alle Grenzen zwischen öffentlich und privat, zwischen Innen und Außen, auch zwischen Wahrheit und Fiktion lösen sich auf im unermesslichen, alphanumerischen Chaos. Ohne, dass ich das selbst direkt geplant hätte, handeln viele meiner Stücke in den letzten Jahren indirekt davon: Musik als etwas, das uns auf positive Art zurückwirft auf uns, unseren Körper, unsere Wahrnehmung durch die primären Sinnesorgane. Das bewirkt die sogenannte E-Musik als Medium wahrscheinlich ohnehin immer in irgendeiner Form, aber auch inhaltlich beschäftigt mich das.
Du bist Organist in Berlin. Welche neuen Impulse erhoffst Du Dir nun von dem Ortswechsel?
Ein Ortswechsel ist immer etwas, das den Geist auf neue Ideen bringt. Außerdem mache ich zum ersten Mal eine Residency, einen Arbeitsaufenthalt. In meiner Dresdner Zeit bin ich in Berlin freigestellt, und kann mich ganz und gar aufs Komponieren konzentrieren. Ich bin gespannt, wie sich das Leben als „Vollzeit-Komponist“ anfühlt.
Mit welchen Ensembles oder Musikern in Dresden würdest Du gern zusammenarbeiten? Hast Du schon welche kennengelernt?
Die Dresdner Musikszene ist ziemlich beeindruckend muss ich sagen, und Ziel der Stiftung ist ja erklärtermaßen, mich mit den Dresdner Akteuren zu vernetzen. Möglich wäre vielleicht eine Zusammenarbeit mit Hans-Christoph Rademann und/oder Jan Vogler. In den nächsten Wochen treffen wir uns zum ersten Mal. Dann wird es vielleicht schon konkreter.
Ein Tag als Stipendiat in einer fremden Stadt – wie sieht der aus?
Da gibt’s ganz unterschiedliche Szenarien, meistens versuche ich morgens so schnell es geht sämtliche Mails und den Papierkram zu erledigen. Danach komponieren, komponieren, komponieren. Und schließlich die Stadt erkunden. Da gehören Museen und Baudenkmäler ebenso dazu wie Restaurants, Geschäfte, nicht zielgerichtete Spaziergänge, etc. Der Ablauf kann aber auch ganz anders sein.
Ganz unabhängig jetzt von Dresden: Wenn Du die Wahl hättest, für wen würdest Du gern einmal komponieren?
Ich würde sehr gerne mal etwas Großdimensioniertes für Orgel und Orchester machen. Wunsch-Orchester gäbe es einige. Ich finde zwar, dass in unserer Zeit sehr viel orchestrale Spielkultur verloren gegangen ist zugunsten von „schneller, lauter, höher“. Aber manche Ausnahmen gibt es zum Glück noch. Zum Beispiel das Concertgebouw-Orkest in Amsterdam, wo ich studiert habe. Oder auch die Berliner oder die Dresdner Staatskapelle. Da würden mir einige einfallen. Hängt natürlich auch sehr stark vom Dirigenten ab. Ein Dirigent, der mich sehr beeindruckt hat, ist Myung-Whun Chung. Der ist ja hier in Dresden kein Unbekannter. Was mich auch einmal sehr reizen würde, wäre die Zusammenarbeit mit einem Regisseur oder einem Filmkünstler. Natürlich nicht, um Hollywood-Filmmusik zu schreiben, sondern für etwas Experimentelles. Ich bin ein großer Fan von Filmkunst.