Eine Ausstellung in Pillnitz widmet sich 70 Jahre nach ihrem Tod der Luise von Toscana
Der Luisenhof auf dem Weißen Hirsch oder das Café Toscana erinnern noch immer an sie – und doch scheint Luise von Toscana (1870 –1947) sonst kaum mehr präsent in Dresden. Viele Bücher sind über die einstige Kronprinzessin von Sachsen geschrieben worden. Unzählige Zeitungsartikel füllten die Blätter in ganz Europa mit dem Skandal, den sie im Jahr 1902 verzapfte, als sie mit ihrem Liebhaber André Giron kurzerhand in die Schweiz floh, auf gesellschaftliches Ansehen pfiff – und ihren Ehemann, den Thronfolger Prinz Friedrich August von Sachsen mit fünf Kindern sitzen ließ. Die Sonderausstellung „Skandal bei Hofe“ auf Schloss Pillnitz zeigt noch bis 5. November das Leben einer faszinierenden Frau, deren Freigeist wohl zu modern für die Dresdner Verhältnisse war.
Es ist keine Geschichte von gestern, die hier erzählt wird. Kein Märchen einer schönen Prinzessin, die aus der toskanischen Linie der Habsburger 1891 ins Geschlecht der Wettiner einheiratete. Nein, die Geschichte vom Leben der Luise zwischen Pflicht und Leidenschaft könnte ebenso gut 2017 geschrieben sein: Ehebruch, Schlagzeilen, Intrigen. Da ist eine Frau, die sich in den Lehrer ihrer Kinder verliebt, ihm Briefe schreibt, streng beobachtet von wachsamen Augen bei Hofe. Schon während ihrer Ehe mit Friedrich August hält sie sich lieber in der Königlichen Villa Wachwitz auf als im Taschenbergpalais. Luise meidet das strenge Hofzeremoniell, ist beliebt bei den Bürgern und doch skandalträchtig: Offenherzig, freigeistig, jung.
Flucht nach vorn, die fünf Kinder lässt sie in Dresden zurück
Als König Albert von Sachsen 1902 stirbt und ihr Schwiegervater in Dresden an die Macht kommt, wird es schwerer für Luise. Sie fürchtet, wegen des pikanten Briefwechsels (der nicht erhalten ist) mit André Giron ins Irrenhaus eingeliefert zu werden, entschließt sich zur Flucht in die Schweiz. Im vierten Monat schwanger, lässt Luise von Toscana die fünf Kinder in Dresden zurück. Vielleicht ahnt sie selbst nicht, welch fatale Folgen ihre Flucht haben wird. Sie kämpft tapfer um ein Wiedersehen, während ihr Schwiegervater König Georg sofort die Scheidung seines Sohnes in die Wege leitet. Ein Brief von Prinz Friedrich August zeigt, dass er seine Frau liebte, die Versöhnung mit ihr herbeisehnte. Doch er ist vom militärischen Drill geprägt, ohne Mut zu Gefühlen und seinem Vater hörig.
Verfolgt von der Presse spaltet Luise die Gemüter in ganz Europa
Luise von Toscana begibt sich von Genf nach Lindau am Bodensee, bringt – längst getrennt von André Giron – allein ihr sechstes Kind zur Welt. Der Scheidungsprozess füllt Seiten von Anwaltsakten und die Titelblätter der Zeitungen in ganz Europa. Es ist der erste große Adelsskandal, an dem die Öffentlichkeit minuziös teilnimmt. Die Ausstellung der Kuratoren Mike Huth und Iris Kretschmann in Pillnitz zeigt, wie der Ruf der Luise durch Verleumdungen und falsche Behauptungen in der Presse durch den Schmutz gezogen wurde, sich die Fronten zwischen Befürwortern und kleingeistigen Aristokraten verhärteten. Der Journalist Adolf Goetz wanderte ins Gefängnis, weil er bemüht war, den Skandal objektiv einzuordnen. Auch er schrieb später ein Buch über die Geschichte der Luise.
Die Sachsen wollten ihre Luise zurück
Luise indes verzichtete bereits im Januar 1903 freiwillig auf Stand, Titel, Rang einer Kronprinzessin von Sachsen. Bald führte sie den Titel einer Gräfin von Montignoso. Die Dresdner Bürger sind nicht von gestern und halten zu Luise, die nie in Standesschranken dachte, sich offen und volksnah zeigte. Die „Lady Di von Sachsen“ heißt es einmal in der Ausstellung. Ein schöner Vergleich. Bei einem Besuch in Dresden 1904 scharten sich die Leute um Luise und bettelten sie, zu bleiben, berichtet sie in einem Brief an ihre Eltern. Doch sie muss fort. Weil sie nach ihrer Flucht illegal kam, um die Kinder zu sehen. Gern würde sie nach Dresden zurückkehren, wieder in Wachwitz wohnen bei ihrer Familie. Doch der Sächsische Hof kennt kein Erbarmen. Luise ist verbannt.
Traurige Odyssee durch Europa nach der Flucht
Das Leben der Frau gleicht einer Odyssee: Liberal erzogen, ist ihre Ehe mit Prinz Friedrich August von Sachsen zunächst glücklich. Für ihn verzichtet sie auf alle Ansprüche auf die Habsburgerherrschaft. Nach der Verlobung in Lindau am Bodensee folgt die Hochzeit in Wien, gefeiert wird später auch in Dresden. Doch nach ihrer Flucht hat sie kaum noch Rückenhalt. Die Liebe zum Lehrer André Giron zerbricht. Sie wird vom Kindermädchen, das der Dresdner Hof schickt, bespitzelt. Nach einiger Zeit heiratet sie 1907 den italienischen Komponisten Enrico Toselli, mit dem sie einen Sohn bekommt. Dafür fordert König Friedrich August 1908 seine Tochter Monica zurück, die bis dato bei Luise lebte. Doch auch die zweite Ehe zerbricht nach vier Jahren. Der Sohn wird 1911 vom Vater entführt. Luise bleibt erneut allein.
Ein halbes Leben lang verbannt aus der Heimat und allein in Brüssel
Die letzten 36 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in Brüssel, wo sie noch immer Briefwechsel zu bürgerlichen Familien nach Dresden führte, besonders mit dem Ehepaar Clara und Paul Herrmann aus Wachwitz. Es heißt, Luise habe sich Stollen aus dem berühmten Café Toscana am Blauen Wunder von dem Ehepaar nach Brüssel schicken lassen. Sie hat Dresden wohl nie ganz vergessen. Ebenso umgekehrt: Manch einer, der die Ausstellung in Pillnitz besucht, kennt noch jemanden, der jemanden kannte, der die Luise von Toscana selbst gekannt haben will. So wird die faszinierende Frau zum Mythos – und Sinnbild des Aufbruchs eines neuen Zeitalters in Sachsen und Europa zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
Ein Kommentar
Eine sehr interessante Ausstellung und sehr gut beschrieben, auch der Bezug zu heute. Habe mich anschließend noch an dem Buch „Luise von Toscana – Skandal am Königshof“ festgelesen.