Radu Lupu lässt Schubert im Kulturpalast lebendig werden
Es war der Zauber eines Abends, wie ihn Konzerte nur ganz selten entfalten: Scheinbar ungerührt, fast stoisch sitzt Radu Lupu (Foto: Oliver Killig) am Flügel, lässt Schuberts „Moments musicaux“ zum Auftakt Note für Note in den Saal tropfen. Tatsächlich scheint die Zeit für einige Momente stillzustehen, wenn er spielt. Der 1945 in Rumänien geborene Pianist ist weltweit so etwas wie eine Legende seines Fachs. Seine Interpretationen sind stille Offenbarungen, von einer tiefen Spiritualität getragen, ohne transzendent oder flüchtig zu sein.
Im Gegenteil: Selten wirkt Schuberts Musik so lebendig, so plastisch wie in diesem Rezital bei den Dresdner Musikfestspielen. Das zeigt sich auch bei seiner Klaviersonate Nr. 14 a-Moll und der Sonate Nr. 20 A-Dur, die das Schlussstück für den Schubert-Abend bildet. Radu Lupu scheint diese Werke förmlich in sich aufgesogen zu haben. Fast wirkt es, als schlummere die Musik tief im Inneren des Pianisten, als schöpfe er aus seiner Ruhe ein Stück von Schuberts Geist und verwandle ihn am Flügel in Klang.
Die Atmosphäre, die er im Konzert schafft, hat etwas Magisches. Selbst im großen Saal beschwört er mit seinem feinsinnigen Spiel eine Intimität herauf, die einen ins Herz trifft und alles ringsum vergessen lässt. Als wäre da nur Schubert, der sich sachte ausbreitet und unter Lupus Fingern seine ganze Faszination entfaltet. Radu Lupu verleiht selbst der Zerbrechlichkeit, dem Zagen starken Ausdruck. In seinem Auftreten spiegelt sich Bescheidenheit als wahre Stärke. Sein Spiel scheint wie ein tiefer, innerer Dialog, selbst die expressiven Passagen der a-Moll-Sonate spielt er ohne Regung, so als brauche er nur tief in sich hineinhören und dem Klang auf den Tasten Form verleihen. Ehrfürchtig, aber nie distanziert.
Das ist kein Schauspiel und frei von jeder Egozentrik. Das Publikum lauscht gebannt wie selten an diesem Abend. Selbst die aufmerksamen Dresdner hat man kaum so andachtsvoll, so ergriffen erlebt. Die sprichwörtliche Stecknadel würde hier wie ein Donnerschlag hereinprallen, ließe jemand sie fallen. Am Ende ist es vor allem die Ruhe, die noch nachklingt – und rückblickend erst die ganze Größe dieses Abends verdeutlicht.
*Die Autorin dieses Beitrags ist Pressereferentin der Dresdner Musikfestspiele, der Artikel entstand dennoch (so wie alle auf dieser Seite) unentgeltlich und unabhängig von dieser Aufgabe.