Er liebte das Leben und reiste durch Europa – mit Dresden verband ihn die Familie, lebendig ist er bis heute auf Schloss Dux
Er war ein Tausendsassa, eine der schillerndsten Persönlichkeiten des 18. Jahrhunderts: Giacomo Girolamo Casanova gilt als Schriftsteller und Abenteurer, bekannt aber wurde er vor allem dank seiner zahlreichen Liebschaften, die ihn zum Mythos machten.
Dabei kann Casanova ebenso gut als Universalgenie gelten. Am 2. April 1725 in Venedig geboren, gleicht sein Leben einer Abenteuerreise durch Europa: Der studierte Jurist verdingte sich als Priester, Hauslehrer, Orchestergeiger, Spieler und Sekretär. Er zog seine Zeitgenossen mit Charme in seinen Bann, verkehrte in wichtigen Adelssalons und traf auf zahlreiche große Köpfe seiner Zeit: Begegnungen mit Voltaire, Goethe und Katharina die Großen sind überliefert, Mozarts Librettist Lorenzo da Ponte zählte den dicken Freunden Casanovas. Neben seiner Heimatstadt Venedig war er in Rom, Paris, Wien, Genf, St. Petersburg und Madrid zu Hause – und machte auch mehrfach in Dresden Halt.
Mit der Stadt an der Elbe verbanden Casanova vor allem Familienbande. Seine Mutter lebte bereits seit 1738 in Dresden, wo sie als Schauspielerin am Hoftheater arbeitete. Bruder Giovanni Battista war hier Hofmaler und wurde später zum Professor und Direktor der Dresdner Kunstakademie ernannt. Und auch seine Schwester Maria blieb Dresden viele Jahre treu. Giacomo schrieb bei einem Besuch seiner Lieben 1753 sogar einige Stücke für das Dresdner Theater, deren Aufführung belegt ist. Kein Wunder, verkehrte er doch auch in Elbflorenz nur in den höchsten Kreisen.
„Ich hatte in Dresden häufig Gelegenheit, den König zu sehen; er liebte seinen Minister, den Grafen Brühl, weil sein Günstling das doppelte Geheimnis besaß, noch verschwenderischer zu sein als sein Gebieter und ihm alles zu ermöglichen. (…) Dresden hatte den glänzendsten Hof, den es damals in Europa gab. Die Künste standen in hoher Blüte. Galanterie sah man jedoch nicht. Denn König August war nicht galant, und die Sachsen sind nicht zur Galanterie veranlagt, wenn ihnen nicht ihr Herrscher das Beispiel gibt“,
schreibt Casanova später in seinen Memoiren „Histoire de ma vie“ (Die Geschichte meines Lebens) über seinen Aufenthalt an der Elbe bis 1753.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte er gewiss nicht, dass er seinen Lebensabend nicht einmal 50 Kilometer von Dresden entfernt auf Schloss Dux (in Tschechien) verbringen würde. Hier kann man dem Leben und Wirken des berühmten Verführers bis heute leibhaftig nachspüren.
13 Jahre lebte und arbeitete Casanova auf Schloss Dux beim Grafen Joseph Karl von Waldstein als Bibliothekar. Es waren nicht seine glücklichsten Zeiten, von den Eingeborenen verspottet und in ständigem Streit mit seinen Zimmernachbarn, verfasste er in Dux seine zwölfbändige Lebensgeschichte, die nicht bloß einen Einblick in Casanovas abenteuerlichen Liebschaften gibt, sondern zugleich ein eindrückliches Sittengemälde des 18. Jahrhunderts liefert.
Der Ausflug nach Schloss Dux steht zwar in keinem Dresden-Reiseführer, jedoch er lohnt: Das Schloss blieb vom Zweiten Weltkrieg weitgehend verschont. Es bildet heute ein beschauliches Ausflugsziel in unmittelbarer Nähe von Teplice und doch fernab vom Massentourismus. Ein Spaziergang im ehemals barocken Park lässt sich prima mit dem einstündigen Schloss-Rundgang verbinden. Dieser findet stets geführt, auf Deutsch, Englisch und Tschechisch, statt und entführt in Casanovas Zeit. Casanova hatte den Grafen von Waldstein 1784 in Wien kennengelernt und war dem Angebot, in Dux als Bibliothekar zu arbeiten, gefolgt.
Der lange Gang im Nordflügel des Schlosses ist mit Bildern von Venedig bestückt und führt geradezu in Casanovas Gemächer. Zwei Wohnräume des Venezianers sind nahezu authentisch erhalten. Hinzu kommen das Arbeitszimmer sowie die Bibliothek, die den Blick auf den Marktplatz von Duchov freigibt – und für die Besucher mit einer Überraschung aufwartet.
Beim Rundgang durch die liebevoll gestalteten Räumlichkeiten wird die Zeit Casanovas und der Schlossbesitzer von Waldstein wieder lebendig. Dabei zählt der italienische Abenteurer nicht zu den einzigen prominenten Gästen von Dux. Casanova selbst soll Johann Wolfgang von Goethe durch das Schloss geführt haben, auch Friedrich Schiller, Frédéric Chopin und Ludwig van Beethoven weilten hier. Letzterer führte im Jahr 1812 seine dem Grafen Ferdinand Ernst von Waldstein gewidmete Klaviersonate auf dem Schloss auf.
Casanova reiste 1796 und 1797 ein letztes Mal nach Dresden, bevor er 1798 im Alter von 73 Jahren auf Schloss Dux verstarb. Sein Grab auf dem örtlichen Friedhof ist nicht erhalten, wohl aber sein Sterbesessel am Fenster und die Grabplatte, die heute in einer Kapelle unweit des Schlosses zu finden ist – und natürlich seine Memoiren, die vom Leben und Lieben eines der größten Abenteurers der europäischen Kulturgeschichte berichten.