Die Dresdner Philharmonie spielt Musik von Charlie Chaplin
In einer von neuen Technologien angetriebenen Zeit wächst die Sehnsucht nach echten, noch handgemachten Dingen. Kein Wunder, dass Filmkonzerte seit einigen Jahren eine Renaissance feiern. Die Dresdner Philharmonie hat diese Reihe zu einer schönen Tradition wachsen lassen – und entdeckt neben modernen Blockbustern wie „Star Wars“ oder „Harry Potter“ auch Filme und Musik von Charlie Chaplin auf erquickliche Weise neu.
Nach „Lichter der Großstadt“ und „Modern Times“ flimmerte am vergangenen Wochenende „The Gold Rush“ aus dem Jahr 1925 über die Leinwand im Konzertsaal des Kulturpalasts. Die Ursprungsversion des Stummfilms, den Chaplin 1942 in der finalen Tonfilmfassung veröffentlichte, wurde aufwendig aus mehreren Quellen rekonstruiert, die Partitur 2006 von Timothy Brock überarbeitet. Am Pult der Dresdner Philharmonie sorgt der erfahrene Filmdirigent Helmut Imig für den rechten Schwung.
Romantisch, leicht und elegant – ganz im Sinne Chaplins – lässt Imig die Musik mit dem Orchester fließen. Er gibt den rasanten Szenen Pfeffer, den Figuren eine musikalische Stimme und drosselt das Tempo adäquat zum Geschehen auf der Leinwand, wenn es spannend oder nachdenklich wird. Dabei ist die Musik von einer hellen Unbeschwertheit getragen, die der Story nur umso mehr Tiefe gibt. Sie verleiht den Bildern Farbe, lässt das Schicksal stürmen und die Sehnsucht schwelgen. Sie treibt an, als Chaplins Tramp zu Beginn durch den tosenden Schneesturm stapft, unterhält beim legendären Brötchenballett, das einen einsamen Silvesterabend zu bunter Phantasie erblühen lässt, und knistert verheißungsvoll, als der Tramp zum ersten Mal die schöne Tänzerin Georgia trifft.
Die Sehnsüchte und Nöte des kleinen Mannes weiß Chaplin wie kein Zweiter mit bittersüßem Humor zu würzen. Hunger, Armut, soziale Ungerechtigkeit werden durch das kleine Glück des Verliebten oder einen unerwarteten Zufall erträglich, ohne vergessen zu sein. Als Regisseur, Schauspieler wie als Komponist schöpfte Charles Chaplin aus einem reichen Fundus feiner Schattierungen. Seine unverkennbaren Filmkompositionen hat er für „Goldrush“ zudem mit Anleihen aus der Klassik gespickt: Vom Hummelflug bis zu Tschaikowskys Dornröschenwalzer reicht das Repertoire, mit dem er Orchester wie Zuschauer zum Schwelgen bringt.
Klassiker sind freilich längst auch Chaplins Filme selbst, unvergessen und immer wieder gern gesehen. Doch wirken sie mit Livemusik ungleich frischer und lebendiger, entfalten auf spritzige Weise ihren Charme. Im Kinokonzertsaal vergeht die Zeit bis zum finalen Kuss auf dem Kreuzfahrtschiff in „Goldrush“ so wie im Fluge. Schade nur, dass man hier nicht einfach ein neues Kinoticket lösen und nochmal von vorn beginnen kann.