Norwegens Hauptstadt hat 1000 Gesichter – und mehr als eine Verbindung zu Dresden …
Verführerisch spiegelt sich die Glasfassade der Norwegischen Oper im Oslofjord. Das goldene Licht der Abendsonne verleiht ihrer modernen Architektur einen sanften Anstrich. Ihre Form gleicht einer riesigen Eisscholle, die schräg aus dem Wasser ragt und ist ein Meisterwerk der modernen Baukunst: Die von Glas und weißem Carrara-Marmor aus Italien geprägte Aussenfassade kontrastiert wirkungsvoll mit dem warmen Ton von tausend Eichenstäben im Innern – und während die Besucher im Saal Konzert- und Opernvorführungen lauschen, dient das Dach als Picknickplatz und Aussichtsplattform für jedermann.
Dass die Akustik ebenso wie die Hufeisenform des großen Saals dem der Dresdner Semperoper nachempfunden sind, ist nur eines von vielen spannenden Details am Rande. Denn die Osloer Oper steht wie kein zweites Gebäude sinnbildlich für die Entwicklung der norwegischen Hauptstadt in den vergangenen 15 Jahren und ist daher ein idealer Ausgangspunkt für unseren virtuellen Stadtrundgang.
Erbaut in direkter Nähe zum Hauptbahnhof im Osten der Innenstadt, markiert die Oper das Tor zum einem neuen Oslo, das versucht, soziale Gräben allmählich zu überwinden. Schräg hinter der Oper wächst gerade das neue Munchmuseum in den Himmel. Auf der anderen Straßenseite schmiegen sich am Rande der Bahngleise die modernen Hochhäuser des Finanzviertels aneinander, als wollten sie New Yorks berühmter Skyline von hier aus Konkurrenz machen. Früher galt der Osten als das Armenviertel Oslos, wo Drogensüchtige rund um den Bahnhof ihre Quartiere aufschlugen. Das ganze Gegenteil zu den prächtigen Villen und Einfamilienhäusern der gut betuchten Norweger im Stadtteil Frogner rund um das Königliche Schloß, die sich bis hinauf zum Holmenkollen im Westen ziehen.
Bewusst hat die Stadt mit dem einzigen Opernhaus des Landes einen Kontrapunkt geschaffen, der das schmuddelige Image des Ostens aufwerten soll. Und tatsächlich scheinen Hochkultur und Finanzwesen positiv auszustrahlen: Der Stadtteil Grünerløkka etwa hat sich zu einem kreativen, multikulturellen Viertel entwickelt, in dessen zahlreichen Cafés, Bars und Restaurants sich Besucher quer durch die Spezialitäten verschiedener Länder futtern können. Auch dient die Oper von der Bjørvika-Bucht aus als würdiges Tor zum Alten Oslo und in die Innenstadt.
Kontraste allerdings prägen die norwegische Hauptstadt bis heute – und das nicht nur architektonisch. Moderne Glasfassaden treffen auf historische Backsteinbauten und Jugendstilhäuser aus dem 19. Jahrhundert. Die Osloer Kunsthochschule zum Beispiel belebt eine alte Segeltuchfabrik in der Gründerløkka heute mit jungem, kreativem Geist.
Und während in den nagelneuen Appartements sowie in Gourmetrestaurants auf der Akerbrygge nordische Dekadenz gefeiert wird, begegnet man schon in den dunklen Ecken in der Storgata nur wenige Hundert Meter weiter der offenen Drogenszene der Stadt und damit auch all den Herausforderungen, die dies für eine sonst so wohlhabende Gesellschaft mit sich bringt.
Zwischen diesen beiden extremen Polen schlägt der Herz Oslos im nordisch gemächlichen Takt. Wobei die 600.000 Einwohner.Stadt einiges bietet, was man in dieser Vielfalt selbst in Millionenmetropolen vergeblich suchen würde. Neben einem lebendigen Kulturleben mit Opern-, Konzerthaus, zahlreichen Jazzclubs und unzähligen Kunstausstellungen sowie dem nordischen Filminstitut lockt Oslo mit maritimem Charme.
Der Oslofjord verbindet das Zentrum mit der idyllischen Schärenlandschaft der Küste, neben Segelbooten und Jachten kreuzen hier im Sommer zahlreiche Fähren, wobei die Colorline-Minikreuzfahrt nach Kiel eine tägliche Verbindung nach Deutschland gewährt. Das Schiff fährt über Nacht und bietet neben einem Kurzurlaub in Oslo auch Kreuzfahrt-Atmosphäre, die der großer Deluxe-Dampfer in der Südsee nachempfunden ist.
Nicht zuletzt ist die Region um die Hauptstadt Norwegens natürlich ein beliebter Anlaufpunkt für Wintersportler, so liegt die berühmte Skisprungschanze Holmenkollen mit angrenzenden Skigebieten für Langläufer nur wenige U-Bahnstationen vom Schloss in der Innenstadt entfernt. Kein Wunder, dass die Einheimischen sich hier in voller Skimontur in der U-Bahn drängeln, sobald der erste Schnee gefallen ist.
Entdecker indes können auch jenseits von Skilift und Munchmalerei in die norwegische Lebensart eintauchen. Mit der Geschichte des Abenteurers und Archäologen Thor Heyerdahl zum Beispiel. Er wurde zu einer Art Nationalheld, nachdem er 1947 wider vorherrschender Forschermeinungen und ohne nennenswerte Kenntnisse der Seefahrt mit einer sechsköpfigen Mannschaft auf einem selbst gebauten Floß den Pazifik überquerte – und so bewies, dass die Besiedlung Polynesiens durchaus auch von Osten her möglich war. Das originale Floß sowie ein Schilfschiff, mit dem Heyerdahl später eine weitere wagemutige Expedition unternahm, sind heute im Kontikimuseum auf der Insel Bygdøya ausgestellt.
Gleich gegenüber lädt das Frammuset dazu ein, in die Geschichte der Polarexpeditionen rund um den Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen und Roald Amundsen einzutauchen. Auf den Expeditionsschiffen Fram und Gjøa wurde Forschungsgeschichte geschrieben, heute stehen sie als authentische Zeugen dieser Zeit für die Besucher zugänglich im Museum, um ihre Geschichten weiterzuerzählen. Anschliessend geht es mit der Fähre dann zurück zum Rathaus, wo sich bei schönem Wetter am Oslofjord ganz wunderbar ausspannen lässt.