Josefine Gottwald entführt mit „Mermaid“ in faszinierende Tiefseelandschaften
Abtauchen ist das Motto für die diesjährigen Osterfeiertage. Und wie könnte das besser gelingen als mit einem guten Buch? Die Fantasy-Autorin Josefine Gottwald entführt uns mit ihrem aktuellen Roman „Mermaid – Erwachen“ in die unergründliche Landschaft der Tiefsee. Im Mittelpunkt stehen drei Schwestern, alle samt verführerische Meerjungfrauen – jedoch charakterlich so verschieden wie ihre Haarfarben.
Nicht weniger als Einhunderttausend Gezeiten hat es gedauert, bis Nûri ihrem düsteren Versteck entkommt und endlich in ihr früheres Reich Untermeer zurückkehren kann. Dort ist nichts mehr so wie es war, seit mit ihrer Schwester Grím und den Schalentieren, den Skelkankr, das Böse regiert. Im Gegensatz zur sanften Kämpferin Nûri, die unerschrocken ihrem Schicksal trotzt und sich auch von Selbstzweifeln nicht geschlagen gibt, hat Grím das Reich mit kalter Härte an sich gerissen und führt ein grausames Regime. Die Dritte im Bunde ist die gefühlige Raun, die Nûri im Kampf gegen Grím zur Seite steht, sich dabei allerdings allzu sehr von ihren Ängsten und der Liebe zu dem Mermann Kjártan leiten lässt. Bevor Nûri sich mit Rauns Hilfe ihr altes Reich zurückerobern kann, muss sie jedoch zunächst ihre Erinnerung wiedererlangen und so wird die Suche nach Wahrheit bald zum Weg der Gerechtigkeit.
Das Buch ist der Auftakt einer Reihe, die zugleich die Wiederentdeckung der Meerjungfrauen in der Literatur markiert. Dabei hat Josefine Gottwalds Geschichte so gar nichts mit Disneys Romantik um „Arielle“ gemein, ist die Story doch vielmehr von Hans-Christian Andersens Meerjungfrauen-Märchen und dem verlockenden Ruf der Nixe Loreley inspiriert.
In formvollendeter Sprache erkundet die Dresdner Autorin die uns fremde, dafür umso faszinierendere Welt unter der Wasseroberfläche. Gespickt mit zarter Erotik und warmherziger Lebensphilosophie lässt sie ihre Figuren in bunten Schattierungen schillern und stellt dem düsteren Schatten Untermeers gestalterisch die ganze Vielfalt der Meereswelt gegenüber. Ihre Geschichte entführt den Leser in fremde Gefilde, sie ist spannend erzählt und vermag auch aufgrund der feinfühligen Figurenentwicklung schnell zu fesseln. Gern folgt man der vom Schmerz aus Einsamkeit und Verbannung gezeichneten Fischfrau Nûri durch die Gezeiten und nimmt Anteil daran, wie sie sich langsam zu einer selbstbewussten Kämpferin wandelt.
Die wundersamen Wesen, denen sie auf ihrer Suche nach sich selbst begegnet, sind mit Liebe zum Detail gezeichnet. Josefine Gottwald profitiert bei diesen Beschreibungen gewiss von ihrem Studium der Meeresbiologie und führt uns Geschöpfe vor Augen, die aus der Perspektive der Landbewohner exotisch und fantastisch zugleich erscheinen. Einmal versunken in die Welt der Tiefsee, lesen sich die knapp 180 Romanseiten viel zu schnell weg – bis die letzte Welle schon Sehnsucht nach dem zweiten Band heraufspült.
Buchtipp „Mermaid“: