René Pape eröffnet die Seebühne Dresden mit Arien von Mozart, Verdi, Dvořák und Gounod
Ohne Frage: Die Idee, in Corona-Zeiten eine neue Open-Air-Bühne für Dresden zu etablieren und den Künstlern der Stadt nach Monaten der Stille drei Tage lang eine Auftrittsmöglichkeit zu geben, muss honoriert werden. Seebühne Dresden heißt die neue Spielstätte im Ostra-Areal gegenüber der Dresdner Messe – und schon der Name verheißt einen Hauch von Glamour, erinnert er doch an die großen Klassikbühnen in Bregenz oder die Arena di Verona. Das Programm der Dresdner Ausgabe, initiiert von Florian Zweig von der Agentur Golden Door, ist umso interessanter: Star-Bass René Pape sang am Freitag (28.8.) zum Auftakt, gefolgt von Jan Josef Liefers und seiner Band Radio Doria (29.8.), dem Internationalen Dixieland Festival und den Dresdner Sinfonikern (30.8.).
Dass zur Eröffnung trotzdem viele der 676 Plätze auf der Terrasse am See leer blieben, mag am unbeständigen Wetter liegen, an den vergleichsweise hohen Eintrittspreisen für ein Open Air (145 Euro für das VIP-Ticket mit Menü und Bestplatzgarantie) oder schlicht daran, dass das feinsinnige Dresdner Publikum genau weiß, was es für sein Geld verlangen kann – und lieber Musik pur genießt, ganz ohne Tellerklappern und klingende Gläser.
Das Eröffnungsprogramm des Prague Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Heiko Mathias Förster gleicht einem bunten Silvesterfeuerwerk. Ohne erkennbare Dramaturgie reihen sich Gassenhauer des Klassik- und Operettenrepertoires von Johann Strauß‘ „Rosen aus dem Süden“-Walzer, über George Bizets „Carmen Suite“ bis hin zu Johannes Brahms „Ungarischem Tanz Nr. 6“ aneinander. Auf den folgt mit Mephistos Arie „Le veau d’or est toujour debout“ aus Charles Gounods „Faust“ einer der seltenen Auftritte von René Pape in seiner Heimatstadt. Der Dresdner Bass freilich weiß mit seiner Stimme zu bezaubern und schenkt dem Publikum jene raren Sternstunden, in denen im Ostra-Areal einmal nur die Musik in den Mittelpunkt rückt. Nach Sarastros Arie „In diesen heiligen Hallen“ aus der „Zauberflöte“, Fiescos „Il lacerato spirito“ aus „Simon Boccanegra“ und der Arie des Wassermanns aus „Rusalka“ wird sein Mephisto zum musikalisch emotionalen Höhepunkt des Abends. Als Zugabe singt Pape „Der Mond ist aufgegangen“ – ein sanftes Finale zum Niederknien.
Das Orchester lässt das seltsame Potpourri an Werken mit viel Enthusiasmus schillern. Heiko Mathias Förster dirigiert leichtfüßig, etwa Griegs „Peer Gynt Suite“ , Smetanas „Moldau“ oder das Finale der 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Und dennoch bleiben große Gänsehautmomente auf der Seebühne aus. Die Atmosphäre ist überwiegend kühl und verhalten. Das sommerleichte Programm weht stark verstärkt über den kleinen See, der Applaus verfliegt im Abendwind. Ja, selbst der Jubel zum Schluss wirkt irgendwie künstlich. Das Abendrot, das den Himmel nach einer kurzen Regenphase fantastisch glühen lässt, immerhin taugt für spektakuläre Instagramfotos.
Es sind nicht die Künstler, es ist das Konzept, das die Klassik auf der Seebühne Dresden zum Event, die Kunst auf Kommerz reduziert. Bei den Getränke- und Snackpreisen an den Streetfood-Wagen (19 Euro der Grillteller; 7,50 Euro das Glas Wein) vergeht selbst Stammgästen der Semperoper der Appetit. Vom Gewusel der Kellner, die zeitgleich mit dem Orchester arbeiten, ganz abgesehen.
Nach einem gedruckten Programmheft sucht man indes vergebens. Macht nichts, denn Moderator René Kindermann führt zusammen mit dem Dirigenten so entspannt durch den Abend, als handele es sich um eine Fernsehshow. Neben Menü und Musik sollen mit dem Verkauf der Pape-Duck (dem Maskottchen des Sängers) auch Spenden für die Hope Stiftung gesammelt werden. Den erzielten Spendenstand bleibt der Moderator dem Publikum später jedoch schuldig, das Selfie mit dem Stargast ist wichtiger. Alles in allem also viel Klimbim rund um die Kunst.