Die OFF-Operngruppe szene12 feiert in ihrem zehnten Jahr ein Minifestival um Dvořáks „Rusalka“
Im Zentralwerk Pieschen sind die Stuhlreihen schon aufgestellt, auf der Bühne werden die letzten Handgriffe erledigt. Gleich beginnt die erste Hauptprobe der freien Operngruppe szene12 für ihre aktuelle Produktion von Antonín Dvořáks „Rusalka“, die am 25. August Premiere feiert. Bei einem Kaffee in der Probenpause nimmt sich der Dirigent Matthew Lynch Zeit, ein bisschen Vorfreude zu wecken.
Natürlich ist Corona auch hier noch ein Thema. Sängerensemble und Orchester müssen regelmäßig getestet werden, das Publikum wird aufgrund steigender Inzidenzen um die 3G-Regel nicht drum herumkommen. Dennoch überwiegt bei allen Beteiligten die Freude, wieder etwas gemeinsam schaffen zu dürfen und damit ein Jahr später als geplant auf die Bühne zu gehen. Obgleich die Stückauswahl bereits Anfang 2019 getroffen wurde, eignet sich „Rusalka“ aus heutiger Sicht wunderbar, um mit dem ganzen Zauber der Oper von den Monaten der Pandemie abzuschalten. „Trotz räumlicher Entfernung wird es eine sehr intime Produktion“, sagt Matthew Lynch, der neben dem Dirigat auch die Gesamtorganisation für die diesjährige Produktion übernommen hat.
Die Inszenierungen von szene12 zeichnen sich gewöhnlich durch einen lockeren, humorvollen und unkonventionellen Zugang zur Oper aus, der das Genre auch jenen öffnen soll, die sonst eher Berührungsängste hegen. „Ich denke, was viele von der Oper abschreckt ist weniger die Musik oder die Oper als solches, als vielmehr das Drumherum, das damit verbunden ist. Uns ist es egal, ob die Leute im Abendkleid oder im Pulli vorbeikommen. Unsere Produktionen haben Studiocharakter, zudem spielen wir bewusst alle Stücke in deutscher Sprache“, erklärt Lynch.
„Rusalka“ betrachtet er als eine „märchenhafte Interpretation der Realität“. Es sei eigentlich eine Oper der Moderne, die in einer Zeit sehr schneller Entwicklungen entstand. „Rusalka sehnt sich nach etwas, das sie nicht kennt – und als es ihr begegnet, merkt sie, dass es nicht das ist, was sie erwartet hatte. Es ist eine Geschichte vom Erwachsenwerden und Scheitern“, bringt Lynch es auf den Punkt. Inszeniert wird im Zentralwerk mit allerlei Zauber, das Publikum darf schwelgen, sich fallen lassen und das Genre Oper auf ungezwungene Weise neu entdecken. Da das für szene12 typische offene Konzept, bei dem die Zuschauer Teil des Spiels werden, aufgrund der Corona-Bestuhlung diesmal nicht möglich ist, bietet die klassische Guckkastenbühne märchenhaften Ersatz. Das Ensemble aus sieben Sängern arbeitet mit Doppelbesetzungen, die einzige Chorszene im 2. Akt wurde aufgrund der Hygienevorgaben gestrichen.
Unterhaltung auf einem hohen musikalischen Niveau verspricht das Vorhaben dennoch. Alle Sänger sind studierte Musiker, teils bereits mit Engagements in den Staatsopernchören Dresden und Leipzig. Das Orchester besteht aus internationalen freien Musikern, die im Dresdner Raum verortet sind, etwa an der Staatsoperette. Für Bühnen- und Kostümbild zeichnen mit René Fußhöller und Antonia Kamp zwei an der Dresdner Kunstakademie ausgebildete Bühnenbildner verantwortlich, die wie der feste Kern des Ensembles schon seit Jahren zum szene12-Team gehören. Von Anfang an haben sich die Initiatoren vorgenommen, das Projekt mit jeder Produktion ein bisschen mehr über sich hinaus wachsen zu lassen – und lösen dieses Versprechen nun erneut ein: Passend zum Stück hat der Verein für die „Rusalka“-Inszenierung deutsch-tschechische Beziehungen geknüpft. Die tschechische Künstlerin Tereza Bartůňková hat Zeichnungen angefertigt, die auf das Bühnenbild projiziert werden und so eine gewisse Tiefe auf dem Guckkasten erzeugen. Darüber hinaus soll mit einem „Loft-Tag“ am 29. August sowie mit einem Erzählprogramm am 4. September erstmals die Idee eines kleinen Festivals rings um die Opernproduktion – zumindest in abgespeckter Form – Wirklichkeit werden. Thema ist auch hierbei der kulturelle Austausch zwischen Deutschland und Tschechien: Zum Loft-Tag spielt das Orchester Lausitzer Braunkohle böhmische Blasmusik, das Werkstattorchester Dresden präsentiert Theatermusik und tschechische Klänge. Anschließend gibt es eine deutsch-tschechische Bierverkostung mit Lohrmanns Brew, der Brauerei der TU Dresden, die neuer Kooperationspartner bei szene12 ist, sowie einen Tschechischen Liederabend mit Petra Havránková (Sopran) und Eli Kalčeva (Klavier).
Im Mittelpunkt all dessen steht natürlich nach wie vor die Oper, die mit unverändert großem Enthusiasmus und Freude am Spiel entsteht. Finanziert wird das Projekt dank einer Förderung der Kulturstiftung des Freistaats Sachsen sowie durch Ticketeinnahmen. Weil das allein jedoch nicht reicht, um die kreative Initiative von szene12 auch langfristig abzusichern, läuft parallel gerade noch eine Crowdfunding-Aktion auf der Plattform 99 Funken.
Was also wünschen sich die szene12-Macher im nunmehr zehnten Jahr nach der Gründung des OFF-Opernprojektes? „Wir freuen uns, wenn das Publikum uns treu bleibt und in die Vorstellungen kommt. Wenn es gefallen hat, freuen wir uns natürlich über eine zusätzliche Spende“, sagt Matthew Lynch, bevor die kleine Kaffeepause beendet ist und die erste große Probe beginnt.
Info: „Rusalka“ im Zentralwerk Pieschen, am 25.08. | 27.08. | 28.08. | 30.08. | 31.08. | 03.09. | 04.09.2021 jeweils 19:30 Uhr, Tickets 24,- Euro, erm. 12 Eurow