Der Pianist Alexandre Tharaud führt uns tief ins Innere des Konzertbetriebs
Wir kennen Alexandre Tharaud als Pianisten, der auf den Konzertpodien weltweit zu Hause ist. Die Perspektive des Publikums, das aus dem Rang einen Blick auf die Finger des Solisten erhaschen will, ist uns vertraut, ebenso wie das Ritual eines Konzertabends. In seinem ersten Buch „Zeigen Sie mir Ihre Hände“ (Staccato Verlag) nimmt uns Alexandre Tharaud mit hinter die Kulissen der großen Säle dieser Welt. Der Franzose gewährt intime Einblicke in das Leben eines Spitzenmusikers und lässt uns in die Welt seiner Gedanken und Emotionen an einem „ganz normalen“ Konzerttag eintauchen.
Was sich dabei offenbart, ist faszinierend und tragisch zugleich. Tharaud öffnet den Vorhang zur schillernden Welt der Bühne und führt uns in die düsteren Schatten des permanenten Perfektionsdrucks. Er findet nicht nur in Musik, sondern auch in der Sprache – aus dem Französischen übersetzt von der Dresdner Lektorin Christiane Filius-Jehne – lebendige Bilder für seine Welt. Mit sensibler Beobachtungsgabe und sanfter Offenheit lässt er dabei selbst kleinste Selbstverständlichkeiten des Konzertbetriebs zu unterhaltsamen Geschichten werden.
Hand aufs Herz: Wer von uns hat sich je Gedanken über Klavierstimmer, Künstlergarderoben oder das Verhältnis des Solisten zum Umblätterer gemacht? Wer denkt – erfüllt von einem Konzertabend zwischen Sektflöte und Häppchen – denn schon daran, dass der Star des Abends nur ein Mensch ist, der oft schlaflos und von Ängsten geplagt des Nachts im kalten Hotelbett liegt? Er liebe dieses Leben zwischen Ankunft und Abflug, schreibt Tharaud – und man glaubt es ihm. Denn tatsächlich liegt ihm nichts an der Entzauberung der Faszination Musik, auch wenn er sich in seinem Buch nicht bloß auf die Finger, sondern schonungslos in die Seele blicken lässt.
Dabei leuchtet der Pianist auch tief in die Tradition des oft allzu starren Konzertbetriebs hinein und streift dessen vielseitige Facetten. Der Agent, das Publikum, das Label und der Veranstalter – sie alle beschreibt er auf liebevoll leichte Art als Teil des Spiels. Letztlich sind sie doch alle beteiligt an dem einen Moment, in dem der Künstler seine Zuhörer im Innersten zu berühren vermag. Und genau auf den kommt es an!
Im kommenden Jahr wird der französische Pianist wieder in Dresden Halt machen. Ganz sicher werden wir sein Konzert mit anderen Augen sehen und mit noch offeneren Ohren hören, nachdem wir dieses Buch gelesen haben. Auf jeden Fall aber werden wir ihm auf die Finger – und mit seiner Musik ein bisschen auch in die Seele schauen.