Impressionen von einem Spaziergang an der Spitzhaustreppe
Scheinbar endlos herausfordernd führt sie uns über 397 Stufen hinauf in den Weinberg: Die Spitzhaustreppe in Radebeul, auch Jahres- oder Himmelstreppe genannt, verbindet das Weingut Hoflößnitz mit dem Spitzhaus und dem Bismarckturm.
Der Aufstieg ist mühsam, doch wird er von einer traumhaften Landschaft und einer noch schöneren Aussicht gekrönt. Die Sonne wärmt, als könne sie den Frühling kaum erwarten, während die Wolken eher unwillig ihr helles Licht preisgeben. Es ist ein kühler Februarsonntag. Kein Regen, kein Schnee. Die Reben träumen noch im tiefen Winterschlaf.
Auf der von Matthäus Daniel Pöppelmann für August den Starken entworfenen Spitzhaustreppe herrscht heute hingegen reger Verkehr. Unverkennbar sind zwischen all den Sonntagsausflüglern jene zu auszumachen, für die das Treppenlaufen hier Training statt Vergnügen bedeutet. Denn seit 2005 wird Sachsens größte barocke Treppenanlage einmal im Jahr zum Schauplatz eines der härtesten Wettkämpfe der Welt: Der Sächsische Mount Everest Treppenmarathon vereint Extremsportler aus der ganzen Welt auf den historischen Stufen in der Lößnitz. Das Ziel: Binnen 24 Stunden 100 Mal den Ab- und Aufstieg bewältigen, was mit 79.400 zu meisternden Stufen einer Doppelmarathondistanz von 84,39 Kilometern und 8848 zu bezwingenden Höhenmetern rechnerisch in etwa der Höhe des Mount Everest entspricht.
Für den Sonntagsspaziergang ist ein Aufstieg freilich genug. Wer am Goldenen Wagen genüsslich den Blick übers Elbtal schweifen lässt und seinem Herzschlag nachspürt, kann immerhin erahnen, mit welchen Kräften die Treppenläufer am 6./7. Mai wieder zu kämpfen haben werden. Romantischer ist’s für ein paar Minuten im 1751 erbauten Muschelpavillon oberhalb der 397 Stufen Platz zu nehmen und die Seele baumeln zu lassen. Noch pfeift der Wind kühl um die Ohren, doch erste Frühlingssehnsucht regt sich schon.
Der Weg oberhalb des Weinbergs hat zu jeder Jahreszeit seine Reize und führt auf der rechten Seite zu Bismarckturm und Spitzhaus, links über die Weinlage Goldener Wagen in Richtung Sternwarte. Die Wintersonne schenkt dem Elbtal einen glänzenden Anstrich, der Blick reicht weit – bis zum Dresdner Fernsehturm und in die Sächsische Schweiz. Das Herz atmet frei, die Luft ist rein. Und in der Ferne leuchten grüne Felder.
Mit klarem Kopf, warmen Herzen und Vorfreude auf den ereignisreichen Frühling 2023 geht es schließlich zurück, treppab ins Tal. Und während wir noch an all den kleinen, urigen Weingütern vorbeilaufen, kommt mir ein Spruch von Johann Wolfgang von Goethe in den Sinn: „Warum in die Ferne schweifen, sieh‘, das Gute liegt so nah!“
Elbmargarita-Beiträge zum Treppenlauf:
Treppenlauf 2013 (im Selbstversuch)