Sommer im Norden (5): In wenigen Schritten übern Teich
Dies ist ein etwas anderer Reisebericht. In einer einwöchigen Serie möchte ich euch an die schönsten Ecken in Südnorwegen mitnehmen. Denn im Süden des Nordens gibt es neben einmaliger Natur zahlreiche kulturelle Kleinode zu entdecken. Im amerikanischen Lista ist die USA so nah wie sonst nirgends in Europa.
Going West ist das Motto auf der Fahrt von Kristiansand über Farsund nach Lista, wo die raue Felslandschaft sanfter wird und die Nordsee auf traumhafte Sandstrände trifft. Die Natur gleicht an dieser Stelle eher der Dänemarks und ist ein wahr gewordener Urlaubstraum: Rauschende Wellen schäumen zum Strand, der hier ungeschützt von Schären ins offene Meer mündet.
Sieht man jenseits der Küste amerikanische Autos fahren oder gar die Flagge der USA wehen, muss dies keineswegs eine Fata Morgana sein. Die norwegische Route 8 führt von Farsund nach Vanse, wo scheinbar das ganze Dorf im amerikanischen Stil der 1950er/1960er Jahre schwelgt. Eine Folge der Auswanderungswelle, die zwischen 1825 und 1925 etwa 800.000 Menschen von Norwegen in die USA spülte. Die meisten von ihnen strandeten an der Ostküste Amerikas, in New Yorks Stadtteil Brooklyn.
Von den Auswanderern aus Vanse kehrten viele später offenbar wieder in die Heimat zurück – und importierten ein Stück amerikanische Lebensart nach Norwegen, wovon auch Besucher heute profitieren können: Der Herzschlag New Yorks ist in Norwegen nirgends so nah wie im beschaulichen Vanse. Die Straße zum Hauptbahnhof heißt seit 2009 Brooklyn Square. Neben der norwegischen Flagge weht dort auch die amerikanische im rauen Küstenwind.
Mittelpunkt des Brooklyn Square ist das amerikanische Kaufhaus Trunken (was so viel bedeutet wie „Koffer“), in dem auf 1500 Quadratmetern Importwaren aus den USA verkauft werden. Vom Candie bis zur Weihnachts-Deko findet man hier alles, was Amerikanfans glücklich macht und bei ehemaligen Auswanderern Erinnerungen weckt. Larsen’s Bakery gegenüber lädt zum Schlemmen im typisch amerikanischen Stil ein. Und selbst der Frisörsalon lebt die amerikanische Tradition.
Mit dem Geschmack von Coca Cola und Zimtgummi auf der Zunge und dem Tuckern der amerikanischen Dieselmotoren im Ohr kann man in Vanse tatsächlich für einen Moment Ort und Zeit vergessen. Alle, denen das noch nicht genug ist, sollten am letzten Juni-Wochenende mal in Vanse vorbei schauen. Dann feiert das 2000-Seelendorf sein American Festival, eine große Sause, bei dem das Land der unbegrenzten Möglichkeiten in Norwegen zum Leben erwacht.