Blickpunkt: Dvoraks „Rusalka“ an der Prager Staatsoper
Die Kulisse ist märchenhaft, die Musik verführt zum Träumen – wenn Antonin Dvoraks „Rusalka“ auf dem Spielplan der Staatsoper Prag steht, ist natürlich auf Wochen hin jeder Platz im Nationaltheater an der Moldau ausverkauft. Das Regieduo Martin Kukucka und Lukas Trpisovsky (SKUTR) erweckt die Oper am Ort ihrer Uraufführung mit einer phantasievoll sinnlichen Inszenierung zu neuem Leben. Ein musikalisch wie szenisch erstklassiges Erlebnis!
Rusalka wird in einer lichten, modernen Szene lebendig, die ihrer tragischen Geschichte Raum gibt, ohne allzu viele Deutungen vorwegzunehmen. Das Bühnenbild von Martin Chocholousek ist reduziert und steckt doch voll zauberhafter Symbolik. In einer hellen Mondscheinszene am See lässt sich die Nixe der Liebe wegen zu einem menschlichen Leben verführen und tauscht Stimme wie Schwanzflosse gegen zwei Beine ein. Unzählige Lampen verleihen der Handlung Atmosphäre, lassen die Stimmungen den Abend über immer wieder wechseln und das romantische Sehnen der Fischfrau anschaulich werden.
Das von Jan Kodet choreografierte Ballett der Prager Nationaloper zeigt die Welt der Nixen und Wassermänner dazu mit zart fließenden Bewegungen – eine wahre Augenweide. Im Palast des Prinzen folgt dann der Kontrast: Unterschiedlichste Sitzgelegenheiten werden auf der Bühne aufgereiht und gestapelt. Der Unterschied zur Meereswelt ist offenkundig, in dieser steifen Umgebung der Macht und Manipulation kann sich Rusalka unmöglich zu Hause fühlen.
Gespickt von tragischer Sehnsucht erwacht Dvoraks Musik mit dem Orchester und Chor des Nationaltheaters Prag besonders einfühlsam zum Leben. Dirigent Tomas Netopil ist seit Jahren auch an der Dresdner Semperoper ein gern gesehener Gast, zur Premiere in Prag arbeitet er die Details der Partitur mit ungeheurer Sensibilität heraus. Er bringt das Orchester zum Flüstern, setzt auf feinsinnige Ausgewogenheit und einen filigranen Klang. Da gerät kein Akzent zu übertrieben, wird jede Nuance zu einem pastellenen Farbton im Mosaik der Oper.
Netopil kann sich zudem auf ein hervorragendes Ensembles verlassen, das stimmlich wie darstellerisch in den Bann zieht. Starke Sänger dominieren den Premierenabend, allen voran sei hier Katerina Knezikova genannt, mit deren seelenvoller Rusalka man vom ersten bis zum letzten Moment mitfühlt und -leidet. Bis zum finalen Kuss, der den reumütig zurückgekehrten Prinzen ins Himmelreich befördert und die tragisch an ihrer Sehnsucht gestrandete Meerjungfrau auf immer allein im Wald zurücklässt. Es folgt ein nur kurzer Augenblick der Stille, dann stehende Ovationen. Vielleicht ist Dvorak in Prag eben einfach am schönsten!
Info: „Rusalka“ an der Staatsoper Prag, wieder am 20, 26. und 31. März, 13. April, 2. und 15. Juni (Resttickets noch vorhanden)