Zwischen Event und Besinnlichkeit

18.400 Menschen beim Adventskonzert im Stadion

Die Herrnhuter Sterne leuchten über den gelb-schwarzen Blöcken im Rudolf-Harbig-Stadion. Feststimmung im Maxiformat ist hier angesagt, wenn das Adventskonzert wie in diesem Jahr rund 18.400 Menschen auf Rasen und Ränge lockt. Bereits eine Stunde vor dem offiziellen Beginn werden die Zuschauer mit einem plauderseligen Vorprogramm aufgewärmt, erste Singe-Proben mit „Leise rieselt der Schnee“ oder „O Tannenbaum“ inklusive.

Für das Adventskonzert mit dem Kreuzchor, den Kapellknaben, der Oh-Töne Musical-Werkstatt, dem Kinderchor der Staatsoperette Dresden und den Wiltener Sängerknaben haben die Veranstalter in diesem Jahr wieder einige Stars ins Stadion geholt: Rolando Villazón greift als Moderator beherzt zum Mikrofon und stimmt auch gern tatkräftig in das eine oder andere Lied mit ein. Die Sängerin Ella Endlich, der aus Social Media bekannte Cellist Hauser und Musicaldarstellerin Aswintha Vermeulen komplettieren das populäre Solistenaufgebot. Die musikalische Leitung über Chöre, Solisten und das eigens für das Event formierte Dresdner Cross Bell Orchestra liegt in den Händen von Peter Christian Feigel, Dirigent an der Staatsoperette Dresden. 

Musikalisch ist das top, auch wenn die Akustik im Stadion bekanntlich ihre Tücken hat. Programmatisch jedoch verströmt das Ganze bisweilen ein wenig zu sehr den Charme einer Fernsehshow aus den 1990er Jahren. Nichts gegen rasante Weihnachtslieder, zu denen man im Stadion auch gern mal tanzen kann. Aber wo die Show dominiert, geht Besinnlichkeit flugs verloren. Und dramaturgisch tun sich Brüche auf, wenn Radiohits wie „Merry Christmas Everyone“ allzu selbstverständlich mit Mozarts „Laudate Dominum“ oder Dvoraks „Weihnachtsstern“ aneinanderstoßen.

Dabei hat Dresdens sängerisches Potenzial durchaus das Zeug dazu, den Zauber der Weihnacht auch im Stadion zu entfachen. Das passiert erstmals nach knapp einer Stunde, als die Chöre „Leise rieselt der Schnee“ anstimmen. Berührend zu erleben, wie das Publikum fast überall auf den Rängen mitsingt. Für leuchtende Augen sorgt Ella Endlich mit „Küss mich, halt mich, lieb mich“, der Titelmelodie aus „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Leider bleibt dies der einzige Auftritt des groß angekündigten Stargasts an dem Abend.

Das Programm ist neben der Musik von zahlreichen Geschichten und Zitaten am Rande gespickt. Den lautesten Applaus gibt es für einen hoffnungsfrohen Gruß aus Paris, wo dieser Tage der geglückte Wiederaufbau der Kathedrale Notre Dame gefeiert wurde – mit dem Hinweis, man wünsche uns, es würde bei der Brücke in Dresden ebenso schnell gehen. Zu den schönsten Momenten gehörte denn auch die anschließende Würdigung aller Helfer und Rettungskräfte, für die das gesamte Stadion mit gezückten Handy-Lampen „Sind die Lichter angezündet“ anstimmt. Der versöhnliche Geist der Weihnacht, der Zauber des gemeinsamen Musizierens, er hielt in der zweiten Hälfte des Konzerts dann mit „Stille Nacht“, „Joy to the World“ und „Oh, Du Fröhliche“ also doch noch Einzug auf dem Fußballfeld. Fürs nächste Jahr darfs gern wieder mehr davon sein. Mehr Sinn für die ruhigeren Töne und mehr Vertrauen in die verbindende Kraft der Musik, weil das Singen mit 18.400 Menschen genauso schön sein kann wie ein Tor bei Dynamo Dresden.

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