„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Semperoper Dresden
Der Prinz kann nicht lachen. Er ist an einer merkwürdigen Form der Melancholie erkrankt: schleimige Hypochindritis. Und da der König ganz verzweifelt über den unheilbaren Zustand seines Sohnes ist, wird in Sergej Prokofjews Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ (Fotos: David Baltzer) auch allerhand Hokuspokus aufgefahren. Das Stück erobert in der kurzweilig witzigen Inszenierung von Evgeny Titov die Bühne der Semperoper Dresden.
Und wie! Das abstruse Spiel, in dem sich Zauberer und Hexe streiten, wie der Prinz wohl am besten wieder zu erwecken wäre, kommt hier als riesiges Theater im Theater auf die Bühne. Wolfgang Menardi hat dazu eine Kulisse aus einem lichtumschienenen Guckkasten gezaubert, der zugleich Schaubühne, Intensivstation und Phantasiewelt ist.
Wo der Komiker Truffaldino den Prinzen mit einem großen clownesken Fest schon nicht zum Lachen bringen kann, gelingt es beim Sturz der Hexe Fata Morgana auf der hohen Treppe. Zum Dank für des Prinzen Schadenfreude verflucht sie ihn, auf dass er sich in drei Orangen verlieben werde. Tja. Nur, dass es sich dabei nicht um saftige Früchtchen handelt, sondern drei leibhaftige Prinzessinnen aus den orangen Schalen schlüpfen. Zwei verdursten auf unglückliche Weise in der Wüste der Phantasie. Die dritte, Ninetta, wird auf magischen Wegen zur Ratte gewandelt, bevor sie am Ende doch in Menschengestalt den Prinzen ehelichen darf.
Unterhaltsam, schräg, heillos überzeichnet kommt dieses verworrene Stück daher – und glücklicherweise inszeniert Titov es auch genauso: als wilde Groteske, die jeder Logik entbehrt und dabei doch allerhand Humor beinhaltet. Die Sächsische Staatskapelle Dresden bereitet unter der Leitung von Erik Nielsen den musikalischen Boden, fungiert als Treiber der Handlung, verleiht dem grotesken Spiel allerhand Farbe, Dramatik und Dynamik, fast wie im Film.
Hinzu kommt ein gewaltiger Chor (Jonathan Becker) und ein Sängerensemble, das bezaubert. Georg Zeppenfeld ist ein ernsthafter König, Mauro Peter gibt den Prinzen – einmal aus der Lethargie erwacht – als verspielten Gesellen mit blühender Phantasie. Und Florina Stucki kann der Hexe Fata Morgana teuflische Raffinesse verleihen. Aaron Pegram ist in der Partie des Truffaldino so etwas wie der Hofnarr, vor allem als er auf die Köchin trifft: Diese mimt Taras Shtonda und macht sie zum herben Mannweib im rosa Kleid. Eine Figur von Format, die wohl noch lange im Kopf bleiben wird! Jasmin Delfs gibt die Ninetta als grazile Prinzessin und Alexandros Stavrakakis ist ein Zauberer, der märchenhaften Grusel auf die Bühne bringt.
Die guten Geister des Stücks jedoch sind die Sonderlinge, eine Art Götter in Weiß, die dem Prinzen stets im richtigen Moment helfend zur Seite stehen. Das Happy End ist also programmiert, das Publikum höchst amüsiert. Die Musik stimmt, die Szene unterhält und am Ende ist doch alles irgendwie nur ein schräger Traum, der die Wirklichkeit für zweieinhalb unbeschwerte Stunden fern hält.
Tipp: „Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Semperoper Dresden, wieder am 18. Dezember, 20. Dezember und 3. Januar