Elben an der Elbe

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Herbstauslese: „Elbenthal“-Saga

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Ivo Pala: „Elbenthal“-Saga

Mitten in Dresden, unter dem Fundament des Residenzschlosses, liegt Aarhain, die letzte Bastion der Lichtelben. Sie verteidigen dort das Tor zur Unterwelt gegen den dunklen Fürsten und seine Schergen. Svenya, zuerst ein ganz normales Mädchen, ist zur Hüterin Midgards bestimmt und soll ihre Welt vor den finsteren Mächten beschützen. Aber auf ihr lastet ein Fluch, der verhindert, dass sie jemals erfährt, wer sie eigentlich ist und woher sie kommt – doch wie soll sie so für eine Sache kämpfen?

Ihre Schwerter haben einen eigenen Willen, ihre Gefühle spielen verrückt und ein riesiger Drache versucht, sich aus dem Kerker der Festung zu befreien … Eigentlich dachte Svenya immer, sie hätte schon genug Probleme! Aber nach und nach findet sie wertvolle Verbündete und treue Freunde für einen Krieg, der unausweichlich scheint.

Ivo Pala finanzierte sich schon sein Studium mit dem Schreiben von Kurzgeschichten und arbeitet seit zwanzig Jahren als Drehbuchautor für Fernsehproduktionen. Unter dem Pseudonym Richard Hagen schreibt er Krimis, die er am Rhein ansiedelt, zuletzt „Ihr unschuldiges Herz“ (2012). Als Ivo Pala veröffentlicht er eher fantastische Stoffe; 2011 erschien „Die Lazarus-Formel“, ein Thriller, in dem eine Wissenschaftlerin ein Mittel für Unsterblichkeit findet. Mythen und epische Welten sind sein Steckenpferd: Der gebürtige Rheinländer begeisterte sich schon früh für das Nibelungen-Lied und seine Helden, die in der „Elbenthal“-Saga im Dresden der Gegenwart wieder auftauchen.

Das Klischee vom Straßenmädchen, das zur Auserwählten wird, ist der Fantasy weit verbreitet. Dagegen ist wohl auch nichts zu sagen, so lange es die Fans noch erfrischen kann. Der Drehbuchautor Pala weiß, wie man einen spannenden Plot konzipiert, wie man geschickt Perspektive und Szene wechselt. Zu Beginn flieht Svenya lange Zeit, später wird sie ständig in Kämpfe verwickelt. Das unglaubliche Tempo lässt den Leser kaum zu Atem kommen. Die Reihe hat nur eine einzige Länge: Die Passage, die die Vor-Vor-Vorgeschichte erzählt, aber leider wichtig für das Verständnis ist. Die Welle der Namen, die dort auftaucht, wird nur ansatzweise charakterisiert, und die Flut der Informationen scheint ertränkend.

Jede Figur verfolgt ihre ganz eigenen Ziele: Intrigen, Liebe und Verrat machen Svenya das Leben schwer – und die Magie ist in der unterirdischen Festung allgegenwärtig. Ivo Pala lässt Dresdner ihre Stadt mit anderen Augen sehen; Drachen und Schwerterklirren gab es hier lange nicht mehr.

Linktipp: www.elbenthal-saga.de

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Die Liebe in den Zeiten des Mauerfalls

Herbstauslese: „Von Mauern und Flammen“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Emilia Licht: „Von Mauern und Flammen“

Radolf und Katja sind Büchermenschen. Mit einer Literaturgesellschaft reisen sie 1989 nach Prag, laufen sich über den Weg und fangen sofort Feuer wie trockenes Papier. Ihre Liebe zum geschriebenen Wort wird zur Leidenschaft füreinander. Aber beide wissen, dass ihr Glück nur von kurzer Dauer ist, denn sie haben Verpflichtungen, Partner und später auch Familien.

Trotzdem kommen sie nicht voneinander los, telefonieren, treffen sich heimlich und spüren, dass sie so nicht ewig leben können. Zweimal verlieren sie sich aus den Augen und zweimal holt sie ihr Schicksal ein. Jahre vergehen, die Mauer fällt und die Weimarer Bibliothek steht in Flammen, aber als Radolf begreift, dass er um Katja kämpfen muss, ist es fast schon zu spät.

Nach bildhaften Episoden in Prag, Cottbus, Weimar und Berlin schickt die Autorin ihre Charaktere nach Dresden, wo sie sich nach der Wende eine berufliche Zukunft erhoffen. Katja arbeitet in einer Buchbinderei und bezieht eine kleine Wohnung in der Neustadt, als Radolf sie wiederfindet.

Emilia Licht ist Wahl-Dresdnerin und macht ihre Stadt wie selbstverständlich zur romantischen Kulisse. Spaziergänge in Straßen und Parks, Blumen vom kleinen Laden um die Ecke, das nette Café an der Frauenkirche – schon längst war es nötig, diesen Charme zu verewigen. Und was liegt da näher als eine Geschichte voller Leidenschaft, Kultur und Historie?

Emotionale Themen haben es der Autorin angetan, ihr Debüt gab sie 2011 bei Gmeiner mit „Hotel Blaues Wunder“, einer frechen Geschichte über eine Frau, die den Spagat zwischen Liebe und Karriere wagt. Natürlich in Dresden.

„Von Mauern und Flammen“ besticht durch Humor und den inneren Konflikt, sowie hervorragende historische und regionale Recherche. Emilia Licht belebt jede einzelne Gasse und zeigt, wie verschiedene Charaktere die Wende meistern oder daran scheitern, während ihre Pläne immer wieder durchkreuzt werden.

Die Bücherliebe bleibt leider etwas inkonkret, einige Charaktere zu flach, doch die Entwicklung der Protagonistin ist erstaunlich: Ihre anfängliche Unsicherheit wandelt sich zu beeindruckender Selbstständigkeit. Die Beziehung zu ihrer besten Freundin strahlt wahre Wärme aus.

Dieser mit Liebe zum Detail erzählte Roman beweist, dass wir alle Opfer unserer Gefühle sind. Emilia Licht widmet ihre Liebesgeschichte den Zögernden, den Menschen, die zu viel Angst haben und dann bemerken, wie schnell alles vorbei sein kann. Eine Leseempfehlung für Frauen, die diese Zeit mit ihren ganz eigenen Augen durchlebt haben.

Linktipp: www.emilia-licht.de

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Mörderjagd auf Erich Kästners Spuren

Herbstauslese: „Weltverloren“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Beate Baum: „Weltverloren“

Dresden ist gemeinhin als Kunst- und Kulturstadt bekannt. Die Autorin Beate Baum hat Elbflorenz mit ihren Büchern jedoch auch zur Krimistadt erkoren. „Weltverloren“ (2010) heißt der sechste Teil ihrer Reihe um die Journalistin Kirsten Bertram – es ist bereits der fünfte Band, der in Dresden spielt. Nach einer Fehlgeburt wacht die Hauptfigur im Krankenhaus auf und lernt dort ein junges, etwas seltsames Mädchen namens Ännchen kennen. Wie sich herausstellt, ist Ännchen eine Nachfahrin des Dresdner Autors Erich Kästner, die allerdings erstaunlich wenig über den Schriftsteller und sein Leben weiß.

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DDR-Untergang als Dresden-Saga

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Herbstauslese: „Der Turm“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Uwe Tellkamp: „Der Turm“

Viel ist über Uwe Tellkamps Dresden-Roman „Der Turm“ (2008) schon gesagt und geschrieben wurden. Schließlich erhielt der 1968 in Dresden geborene Autor für sein knapp 1000 Seiten umfassendes Werk über die Wende den Deutschen Buchpreis sowie den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Herbst 2010 eroberte eine Theaterfassung (von Jens Groß und Armin Petras) des Romans die Bühne des Dresdner Schauspielhauses, bevor im vergangenen Jahr die zweiteilige Romanverfilmung in der Regie von Christian Schwochow erstmals über die Fernsehbildschirme flimmerte – und noch einmal rund 7,5 Millionen Zuschauer erreichte.

Im Mittelpunkt der als Familiensaga entworfenen Handlung steht die Figur des Christian Hoffmann, aufgewachsen in einem engen Zirkel von Bildungsbürgern in einer verfallenen Villa auf dem Weißen Hirsch – im Roman das „Turmviertel“. Sein Vater, Richard Hoffmann, ist Chirurg an der Medizinischen Akademie Dresden mit geheimen Doppelleben. Der Onkel, Meno Rohde, arbeitet als Lektor in einem renommierten Verlag und prägt das Geistesleben des jungen Protagonisten sehr. Zugespitzt auf diese drei Personen und deren Umfeld erzählt Tellkamp die letzten sieben Jahre der DDR und stellt die Deutsche Wende so inmitten dieser besonderen Dresdner „Turmgesellschaft“ dar.

Den teils ausschweifenden, jedoch nicht bloß idyllischen, Dresden-Beschreibungen sind im Roman die schweren, düsteren Jahre Christian Hoffmanns bei der Nationalen Volksarmee gegenübergestellt. Nach dem Unfalltod eines Kameraden handelt sich Christian durch Äußerungen gegenüber seinen Vorgesetzten einen Aufenthalt im Militärgefängnis Schwedt ein. So entwirft Tellkamp mit seinem Roman nicht nur ein detailliertes Wende-Panorama anhand dieser Familiengeschichte, sondern mythifiziert gleichzeitig den Weißen Hirsch als nahezu geheimen Ort, der alte Werte für eine neue Zeit bewahrt.

Voller Motive, Anspielungen und immer wieder von den verschlungenen Tagebuchaufzeichnungen des Meno Rohde unterbrochen, gehört „Der Turm“ zwar zweifelsohne zu den wenigen großen Dresden-Romanen der Literaturgeschichte, fordert seinen Leser allerdings mit ausschweifenden Beschreibungen, einer Vielzahl von Handlungssträngen und einer zum Ende hin immer rasanteren Erzählweise, die teils in surrealistisch anmutende Szenen mündet, auch arg heraus. So verwundert es wohl kaum, dass viele Dresdner dieses Werk zwar im Bücherregal stehen, es jedoch niemals bis zum Ende durchgelesen haben – und lieber auf Theateraufführungen oder Filme zurückgreifen, obwohl doch gerade der Dresden-Komplex sowohl auf der Bühne als auch im Film stets zu kurz kam.

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Kriminalistische Hetzjagd ums Gewölbe

Herbstauslese: „Der Dieb von Dresden“

Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Ralf Günther. „Der Dieb von Dresden“

Ein unerhörter Mord erschüttert die Dresdner Innenstadt. Maximilian Lenzen, der Stellevertreter des Direktors der Kunstsammlung im Grünen Gewölbe (Hofrat von Block) wird mit einer heißen Schokolade vergiftet. Schnell gerät von Block, der sich zur Auffrischung seiner privaten Edelstein- und Kuriositäten-Sammlung heimlich auch aus den Schätzen des Hofes bediente, unter Verdacht. Die Figur des von Block und seiner kuriosen Sammelleidenschaft ist ebenso historisch verbürgt, wie die des Musikers und Schriftstellers E.T.A. Hoffmann, der Blocks Tochter Ariane im Roman nicht nur Klavierunterricht gibt, sondern auch bei der Aufklärung des Verbrechens behilflich ist.

Der gebürtige Kölner Ralf Günther hat mit „Der Dieb von Dresden“ 2009 erstmals seine Wahlheimat Dresden in den Mittelpunkt einer historischen Romanhandlung gestellt. Schon ein Jahr später folgte mit „Der Leibarzt“ (2010) das zweite, und 2013 mit „Die Türkische Mätresse“ sein drittes Werk mit Dresden-Bezug. Die Figur des Hofrats von Block, dem „Dieb von Dresden“, geht auf den Baron Peter Ludwig von Block, den ersten Inspektor des Grünen Gewölbes zurück. Dieser ließ tatsächlich einst große Edelsteine aus Juwelen-Garnituren der Schatzkammer gegen kleine Steine austauschen und versetzte die anderen im Pfandhaus. 1816 wurde sein Vergehen entdeckt.

Den historischen Hintergrund der Romanhandlung zeichnen jene Tage im Jahr 1813, in denen Napoleon geschlagen aus Russland zurückkehrt, um in der Dresdner Gegend seine letzten Gefechte auszutragen. Es ist eine Zeit, in der die Neuverteilung der Macht bereits wie ein Damoklesschwert über dem Land schwebt und geheimdiplomatische Ränkespiele auch über das gesellschaftliche Hofparkett in der sächsischen Residenz ziehen.

Sorgsam recherchiert und verständlich aufgearbeitet, verwebt Ralf Günther historische Fakten mit seiner kriminalistisch angehauchten Romanhandlung um den diebischen Hofrat von Block. Das Gesamtkonzept des Romans ist klug konstruiert, ihm fehlt es allerdings über weite Strecken am roten Faden und damit auch an Spannung. Die Figuren von Block, Hoffmann und Ariane erscheinen als gleichberechtigte Hauptfiguren, was teilweise verwirrt und den Lesefluss etwas lähmt.

Trotz der gelungenen Atmosphäre, die Günther in seinen Stadtbeschreibungen immer wieder schafft, wirken einige Faktoren dabei ein wenig aufgesetzt. Die Figur E.T.A. Hoffmans etwa scheint eher ein Alibi für den prominent besuchten Dresdner Hof der Zeit zu sein. Die wahre Biografie des hier einerseits als labilen Trinker, andererseits als hilfreichen Klavierlehrer dargestellten Schriftstellers ist dabei für die Handlung des Romans – anders als bei von Block – jedoch kaum von Belang.

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Lyrik zwischen den Kulturen

Die 12. Bardinale zeigt Europa als „unvollendetes Gedicht“

Der Garten der Villa Augustin verwandelt sich am nächsten Wochenende (12. bis 15.9.) in einen Poesiepark mit Bühne für Science Slam, Musik und schauspielerische Darbietungen. Die Bardinale will mit einer Vielfalt von Diskussionen, Lesungen und Aufführungen in diesem Jahr für das europäische Denken begeistern. Auch Jugendliche können Literatur live erleben: Zehn verschiedene Workshops richten sich nach den Interessen von Schülern, ob Literatur-Analyse oder Schreibwerkstatt.

Eigentlich soll es weniger ums Politische gehen, im Mittelpunkt steht Europa als unser Lebensraum und Kulturraum. Die Bardinale will nicht nur das häufig negative Nachrichtenbild aus den Medien zeigen, sondern vor allem, dass es nach wie vor einen regen literarischen Austausch gibt. Die zentrale Frage ist, wie internationaler Dichter die aktuellen Entwicklungen erleben.

Die vortragenden Autoren stammen aus europäischen Krisengebieten und haben interkulturelle Hintergründe. In Essays im Bardinale-Blog beschreiben sie ihre persönliche Sicht auf Europa. Beqë Cufajs Werke beschreiben eine Kindheit im Kosovo – und Träume, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Ulrich Schacht, ehemaliger Dresdner Stadtschreiber, ist zur Autorendebatte geladen. In der DDR wurde er wegen „Staatsfeindlicher Hetze“ verurteilt. María Eloy-García (Foto: PR) reflektiert in ihren Gedichten Alltag und Gegenwart, Leben und Menschen, gern auch surrealistisch und ironisch – vor allem aber authentisch. Die Autoren lesen in ihrer Muttersprache mit eingeblendeten Übersetzungen, Freitag und Samstag jeweils 20 Uhr zur „Erfindung Europas“.

Ein besonderer Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf der Literatur der Sinti und Roma und der Frage, wie Europa die Rechte von Minderheiten noch stärken kann. Jovan Nicoli? ist als Rom e.V.-Mitglied Fachmann auf dem Gebiet. In einer Vortragslesung erklärt er, wie eine mündlich geprägte Kultur Literatur produziert. Dazu organisiert das Literaturbüro auch eine Ausstellung, die man bis Herbst 2014 in der Villa Augustin besuchen kann.

Linktipp: www.bardinale.de & Weblog: www.bardinale.blogspot.de

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Sex versus Satire

Erich Kästners „Fabian“ am Kleinen Haus

Arbeitslosigkeit, Weltwirtschaftskrise, als Werbetexter missbrauchte (wahrscheinlich unterbezahlte) Germanisten, individuelle Orientierungslosigkeit – die Gesellschaft, die Erich Kästner in seinem Roman „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ (1931) zeichnete, scheint uns auf den ersten Blick seltsam vertraut. Dabei wollte Kästner mit diesem Großstadtroman ursprünglich ein durch und durch ironisches Gesellschaftsbild Berlins am „Vorabend“ der „Machtergreifung“ Adolf Hitlers zeichnen. Felicitas Zürcher und Regisseurin Julia Hölscher stellen in ihrer Theaterfassung der Geschichte dennoch Zitate von aktuellen Zeitungsmeldungen an den Anfang.

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Schloss Bellevue und Villa Augustin

Schon Erich Kästner war „Bürger Europas“

Es ist sicher ein Zufall, dass Bundespräsident Joachim Gauck die „gemeinsame Identität“ Europas in seiner Rede am Freitag einen Tag vor dem Geburtstag Erich Kästners heraufbeschwor. Ein trefflicher Zufall allerdings, denn just an diesem Wochenende (22.-24.2.) feiert das Erich-Kästner-Museum in Dresden sein jährliches Festival, in dessen Mittelpunkt neben Kästner dieses Mal ebenfalls das Thema Europa steht. Während Gauck im Schloss Bellevue also noch die „Perspektiven der europäischen Idee“ auslotete, gingen in der Villa Augustin am Albertplatz die Vorbereitungen für eine Ausstellung, die sich Erich Kästner als Bürger Europas vorstellt, in die letzte Runde.

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Turnübungen mit (drei) Worten

Dresdner Literaturgruppe auf Erfolgskurs

Es war die Liebe zum Schreiben, die sechs Menschen im Jahr 2007 in einem Café zusammenführte. Ausgangspunkt war ein Studium an der Fernakademie Hamburg, das alle sechs absolvierten. Im Onlineforum des Seminars „Die große Schule des Schreibens“ haben sie sich kennengelernt – und zu einem Treffen in Dresden verabredet.

Das war die Gründungsstunde der Dresdner LITERATURNER, einer Gruppe von ambitionierten und nicht minder talentierten Freizeitliteraten, die zwar nicht alle direkt aus Dresden stammen, aber durch ihr Schreiben eng mit der Stadt verbunden sind. Denn fortan hieß es an jeweils einem Freitag im Monat ab halb sieben (bis open end): „Wort frei“ für gemeinsame Diskussionsrunden – zunächst in der Alten Wachstube im Großen Garten.

Inzwischen besteht die Gruppe aus zehn Mitgliedern, trifft sich im Herzen des Dresdner Literaturlebens, der Villa Augustin am Albertplatz, und hat bereits ihr erstes gemeinsames Buchprojekt veröffentlicht. „Irgendwann war uns die Arbeitsatmosphäre in der Alten Wachstube nicht mehr konzentriert genug, wir haben dann lange nach einem Raum gesucht“, erzählt Literaturner Willi Hetze. Er ist 1985 geboren und arbeitet derzeit als Honorardozent an der Uni Erfurt. Die Raumsuche trieb die Gruppe zwischenzeitlich an verschiedenste Stellen, bis hin zu einem Tapeziertisch in einer Podologiepraxis. Bei einer Lesung schlossen sie 2010 Bekanntschaft mit der Leiterin des Dresdner Literaturbüros, Andrea O’Brian. Seither ist die Gruppe im Werkstattraum der Bibliothek des Erich-Kästner-Museums zu Hause.

Dort lesen und diskutieren die Dresdner Literaturner seither ihre Texte. Hin und wieder stößt auch Rolf Bergmann als erfahrener Schriftsteller zur Gruppe hinzu. Er hilft und berät. Die Literaturner sind stolz darauf. Immer wieder liegt der Fokus bei den arbeitsintensiven Treffen auf dem handwerklichen Aspekt des Schreibens. Gerade das sei es, was die Arbeit der Gruppe ausmacht. „Wir haben das Prinzip der Kritik. Jeder Text wird von uns in der Gruppe auseinandergenommen“, sagt Hetze. Es werde viel gefeilt, viel diskutiert, nachgehakt. Oft haben sie schon einen Abend nur mit einer Geschichte verbracht. Das sei nur möglich, weil die Chemie zwischen den Mitstreitern absolut stimme. Dass dabei Hobbyschriftsteller aller Berufs- und Altersgruppen vereint sind, sei eher nützlich als hemmend. „So können wir von verschiedensten Erfahrungsbereichen und Sichtweisen lernen“, sagt Willi Hetze.

Zwei Jahre lang hat die Gruppe auf diese Weise an ihrem ersten Buchprojekt gearbeitet. Der Band „Drei Worte“ ist 2011 erschienen und vereint sowohl Prosa-, Lyrik- und Dramentexte – von denen nur die wenigsten von Dresden handeln. „Der Titel drei Worte ist durchaus wörtlich zu nehmen. Er bezieht sich auf die Überschriften der Beiträge, die jeweils aus genau drei Worten bestehen“, sagt Hetze. So habe man am Ende doch eine Gemeinsamkeit für die allzu unterschiedlichen Beiträge in dem Buch gefunden. Es ist mit einer Auflage von 500 Stück im Dresdner Buchverlag erschienen. „Wir können uns mit dem Verlag identifizieren.“

Gefunden haben sie den Verlag auf der Leipziger Buchmesse im vergangenen Jahr. Sofort habe der damals neu gegründete Verlag Interesse bekundet, wollte die Dresdner Autorengruppe ohne große Umschweife verlegen. „Die Präsentation des Buchprojektes war einfach überzeugend. Und man sollte als Dresdner Verlag ja auch Dresdner Autoren fördern“, sagt Peggy Salomo vom Dresdner Buchverlag. Und tatsächlich: Die Geschichten in dem Buch sind ein bunter Strauß aus kuriosen, witzigen, auch tragischen Begebenheiten, die nicht selten im Alltagsleben der Autoren ihren Ursprung fanden, „im Zuge der Arbeit jedoch oft auf einen ganz anderen Dreh kamen“, verrät Hetze.

Auch ein zweites Buchprojekt der Literaturner ist schon im Gespräch. Allzu viel soll aber noch nicht verraten werden. Nur, dass es sich dieses Mal um eine vernetzte Geschichte der Autoren handeln wird. Zudem wurde Anfang Mai ein Verein gegründet. „Das war nötig, da wir durch Lesungen und Honorare eine andere Struktur benötigen“, sagt Willi Hetze.

Und wie stehen die Literaturner heute zu ihrem Umfeld? Ist Dresden tatsächlich eine Literaturstadt? „Im Vergleich zu anderen Literaturstädten hat Dresden sicher Nachholbedarf. Aber die Dresdner sind sehr interessiert“, sagt Willi Hetze – er überlegt kurz und ergänzt: „Ja, Dresden ist eine Literaturstadt. Das Problem ist nur, dass hier allzu oft jeder seins macht.

Linktipp: http://www.literaturner.de/index.html

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Der Katastrophe auf der Spur

Autorin Kathrin Röggla im Societaetstheater

Das Societaetstheater Dresden lädt am Wochenende im Rahmen der Reihe Salon am Sonntag zu einem spannenden Gespräch ein. Zu Gast ist dabei am 23. Oktober, 11 Uhr, die Prosa- und Theaterautorin Kathrin Röggla (Foto: PR/Societaetstheater). Unter dem Motto „Alarm-Gestöber und Krisenstimmung“ wird sie sowohl an einer Gesprächsrunde teilnehmen als auch aus ihren Werken lesen und so quasi literarisch dem „Katastrophischen auf der Spur“ sein. Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit der Buchhandlung „Büchers Best“ organisiert und von Janina Müller moderiert.

Röggler ist sowohl als Prosaautorin („die alarmbereiten“, „wir schlafen nicht“) als auch durch ihre Theaterstücke („die unvermeidlichen“, „die beteiligten“) bekannt geworden. Sie produziert außerdem Radioarbeiten wie Hörspiele und akustische Installationen. Die Schriftstellerin ist unter anderem mit dem Nestroy-Autorenpreis für ihr Stück „worst case“ ausgezeichnet worden. In ihren Essays und literarischen Arbeiten hat sie sich eingehend mit den Phänomenen der Krise und der Katastrophe auseinandergesetzt.

Karten sind zum Preis von 5,50 Euro im Societaetstheater erhältlich. (NL)

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