Der Kopf ist schwer, die Augenlider klappen immer wieder zu, die Konzentration hat schon vor über einer Stunde den Feierabend beschlossen – aber die Arbeit wird und wird nicht weniger. Der braune Wachmacher Kaffee soll es richten. Das grelle Klingeln des Löffels in der Tasse wäre normalerweise schon Weckruf genug, doch heute ist es anders.
Er nennt sich selbst am liebsten „Theatermacher“. Dabei ist Matthias Spaniel (Foto: PR/Volkmar Knoch) Dramaturg, Regisseur und Pädagoge in einem. Ab Januar 2014 wird er offiziell von Andreas Mihan die künstlerische Leitung von „die bühne – das Theater der TU Dresden“ übernehmen. Für den 33-Jährigen ist das auch eine Rückkehr in seine Heimatstadt Dresden, aus der er vor 15 Jahren zunächst zum Studium der Germanistik nach Hamburg aufbrach.
Diese Saison sei noch eine Übergangsspielzeit, die er zusammen mit Andreas Mihan gestalte, sagt Matthias Spaniel – und er sei froh darüber, dass der Wechsel so fließend funktioniere. Vor fünf Jahren, gleich nach seinem Studium, hatte er sich schon einmal um die Stelle des bühnen-Leiters beworben. Damals noch ohne Erfolg. „Das war gut so“, sagt Spaniel heute, inzwischen habe er viele Erfahrungen als „Theatermacher“ sammeln können, fühle sich nun qualifiziert genug für den Job. Spaniel inszenierte in den vergangenen Jahren unter anderem an der Theaterfabrik Gera, dem Theater der Künste Zürich und dem Theater Rudolstadt, wo er in der Spielzeit 2009/10 als Schauspieldramaturg engagiert war. Er ist darüber hinaus Mitbegründer des ersten Thüringer Seniorentheaterfestivals „Ruhestörung“, das 2013 eine zweite Auflage erlebte.
Nun will er sich also dem jugendlichen Bühnennachwuchs widmen. Wenn man ihn fragt, warum es ihn zu dem kleinen Amateurtheater an Dresdens großer Universität zieht, antwortet er gerade heraus: „Die Studenten spielen alle ehrenamtlich mit dem Ziel, gutes Theater zu machen. Es ist ein großer Idealismus in dem Ensemble spürbar, den habe ich an professionellen Theatern oft vermisst.“ Bereits 2009 erarbeitete Matthias Spaniel an der bühne die Stückentwicklung „heimatEN“. Da lernte er den Verein mit derzeit zirka 30 aktiven, häufig wechselnden, Mitgliedern zum ersten Mal kennen.
Die Universität stellt dem Studententheater Räume zur Verfügung und finanziert die Stelle des Leiters. Der Rest – immerhin rund 80 Vorstellungen pro Spielzeit – wird allein dank der Leidenschaft der Mitglieder am Leben gehalten. Nur etwa ein Drittel der „bühnis“, wie Spaniel seine Schützlinge nennt, landen irgendwann tatsächlich im professionellen Theaterbetrieb, die anderen verfolgen die verschiedensten Fachrichtungen bis ins Berufsleben weiter. „Hier spielt niemand, weil er damit Geld verdienen muss, wir haben dadurch auch eine Art Freiraum, das reizt mich“, sagt er. Und als Spaniel in der charmant-chaotischen Kaffeeküche der bühne zwischen Keksen und Programmzetteln auch noch erzählt, dass er seinen gut bezahlten Job als Dozent an der Züricher Hochschule gern gegen das kleine Theater in Dresden eintausche, glaubt man ihm das aufs Wort.
Als künstlerischer Leiter möchte er die TU bühne stärker mit dem Universitätsbetrieb vernetzen. So gebe es beispielsweise in der Lehrerausbildung der TU derzeit noch kein Theatermodul, das wolle er anregen. „Auch die Wahrnehmung der bühne an der Uni ist noch eine Baustelle. Wir wollen nicht die neue OFF-Bühne für Dresden werden, aber eine feste Instanz an der Universität“, sagt er. Sein Ziel: Jeder Student soll wissen, dass es die bühne gibt. Die Öffnung des Theaters zur Stadt außerhalb des Campus sei erst der zweite Schritt.
Noch in dieser Spielzeit möchte er eine Inszenierung an einem anderen Ort auf dem Campus realisieren. Insgesamt werde er dem bisherigen bühne-Konzept mit vier großen und unzähligen kleineren – meist von professionellen Regisseuren geleiteten – Produktionen aber treu bleiben. „Wir haben nicht den Planungsvorlauf eines Stadttheaters, dafür können wir viel spontaner auf Ideen aus dem Ensemble reagieren“, so Spaniel. „Als Student kann und sollte man auch mal unbequem sein“, findet er – und möchte seine bühnis dazu sogar ermutigen, wenn er im Januar in die Arbeit an dem Studententheater startet.
Nicole Czerwinka
Nächste Vorstellungen die bühne: „The Holy Shit – die Weihnachtsshow der bühne“, am 22.12., 20 Uhr im Projekttheater