Sie ist grün, sie ist riesig, sie ist hungrig – und sie verschlingt alles, was sie braucht, um noch größer und stärker zu werden. Die fleischfressende Pflanze „Audrey II“ wird im Musical „ Der kleine Horrorladen“ (Foto: PR/Hagen König) an den Landesbühnen Sachsen wieder mit Theaterblut gefüttert. Regie führt hier zum ersten Mal Opernsänger Michael König, der seit 1999 im Ensemble und derzeit unter anderem als Professor van Helsing im „Dracula“ sowie als Stelzfuß in „The Black Rider“ zu hören ist. Für seine erste Inszenierung am Haus steht ihm mit dem Musical von Howard Ashman (Buch und Liedtexte) und Alan Menken (Musik) ein dankbarer Stoff zur Verfügung.
Als Wintermärchen begeisterte „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ gleich mehrere Generationen. Die Landesbühnen Sachsen holen den Kultfilm von Vaclav Vorlicek und Frantisek Pavlicek aus dem Jahr 1974 nun als Musical auf die Felsenbühne in Rathen. Der ganze Ort ist aus diesem Anlass mit goldenen Schuhen geschmückt –, wenn Aschenbrödel tanzt, sind sie an Laternen, Gastwirtschaften, ja sogar auf der Elb-Fähre zu entdecken.
Den ganzen Sommer stehen Schauspiel- und Musiktheaterensemble der Landesbühnen Sachsen im Wechsel für die Inszenierung des Intendanten Manuel Schöbel auf der Freilichtbühne. Die Textfassung des Musicals stammt von Katrin Lange. Thomas Zaufke hat die Musik von Karel Svoboda dafür extra neu arrangiert, einige pfiffige Songs hinzugefügt, lässt die berühmtesten Motive der Filmmusik jedoch immer wieder gezielt anklingen. Die romantische Wintergeschichte funktioniert so auch im sommerlichen Rathen, ohne dass die Filmvorlage dabei Schaden nimmt.
Glücklicherweise servieren die Landesbühnen aber keinen lauen Abklatsch des Erfolgsfilms, sondern transportieren das Märchen ein Stück weit ins Heute. Hier dürfen die Diener des Königs auch mal mit dem Handy telefonieren, der Prinz redet eindeutig im Jugendjargon des 21. Jahrhunderts mit seinem Vater und bei der Jagd wird längst nicht mehr auf lebende Tiere, sondern auf Federn, Taschentücher und Gürtelschnallen geschossen. Was bleibt, sind drei magische Zauber-Haselnüsse, ein glucksend gurrendes Käuzchen, viele hilfsbereite Täubchen, riesig rosige Ballkleider, mehrere orangefarbene Jagdschlosstürme (Ausstattung: Klaus Noack, Barbara Noack) und genau jene Portion Romantik, die ein Märchen eben braucht, um die Herzen der großen und kleinen Zuschauer zu erwärmen.
Und das glückt: Wenn Sandra Maria Huimann als Aschenbrödel (Foto: PR/Marco Foerster) auf ihrem Pferd Nikolaus über die Bühne zum Hofball reitet, raunen verzückte „Ahs“ und „Ohs“ durch die Zuschauerreihen. Ihr Aschenbrödel ist ein wildromantisches Mädchen, das genau weiß, was es will und seiner bösen Stiefmutter mutig die Stirn bietet. Andreas Petzoldt erscheint dagegen als jungenhafter Prinz im Glitzergewand, der den Pflichten des Königreiches am liebsten entfliehen würde und ungestüm um Aschenbrödels Hand anhält. Silke Richter und Nina Mercedes Rühl setzen als freche Stiefmutter und Tochter Dorchen mit langen Lügennasen gelungen komische Kontrapunkte. Und auch sonst ist allerlei Witz in das Märchen verwoben, was durchaus nicht nur die kleinen Zuschauer zum Lachen bringt.
So vergehen die knapp zweieinhalb Musical-Stunden auf der Naturbühne nahezu wie im Märchen. Auch wer schon lange nicht mehr an Märchenwälder und magische Zaubernüsse glaubt, wird sich dieser magischen Welt im Wehlgrund kaum entziehen können, wenn „Aschenbrödel“ wieder ihre fleißigen Täubchen ruft und schwungvoll mit Nikolaus zum Hofball des Königs reitet.
Nicole Czerwinka
„Der Haselnüsse für Aschenbrödel“ auf der Felsenbühne Rathen, wieder am 26.-28.7., 30.7.-4.8., 7.8., 8.8., 11.8., 14.-16.8., 20.8., 25.8., 7.9. und 8.9.