Per Opernaufführung zum Mond

"Il mondo della luna"_szene12 Dresden
Szenenbild: Il mondo della luna

Verein szene12 sammelt für sein neues Projekt

Sie machen Oper einfach anders, herrlich unkonventionell, gut verdaulich und viel unterhaltsamer als alle anderen: Der Dresdner Verein szene12 ist ein junges OFF-Theaterprojekt, bei dem junge Künstler zwischen Studium und Engagement einen Freiraum zum Ausprobieren finden. Das Projekt um den Nachwuchsregisseur Toni Burghard Friedrich gründete sich 2012 mit dem ehrgeizigen Ziel, jedes Jahr ein kleines bisschen größer zu werden.

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Opernspaß mit der Nanny und Steve Urkel

Szene12-COSIFANTUTTE

Szene12 inszeniert „Così fan tutte“ im Labortheater

Theaterregisseure sind oft bescheidene Menschen. So nahm Toni Burghard Friedrich den tosenden Schlussapplaus für seine Inszenierung von Mozarts „Così fan tutte – oder die Schule der Liebenden“ im Labortheater am Donnerstag (26.9.) auch mit einem stillen, zufriedenen Nicken entgegen. Verdient hat er ihn allemal, denn der Regiestudent aus Wien hat mit dem jungen, durchweg studentischen Ensemble des Dresdner Vereins szene12 in diesem Jahr eine so ungewöhnliche wie beachtliche Aufführung des bekannten Repertoirestücks auf die Beine gestellt.

Das Verwechslungsspiel um den kreuzweisen Pärchentreuetest in Mozarts dritter und letzter Oper, die er zusammen mit dem Librettisten Lorenzo Da Ponte realisierte, wird in Friedrichs Inszenierung als moderner Sitcom-Dreh verpackt. Don Alfonso (Steven Klose) ist hier der Regisseur am Filmset, seine Verbündete Despina (Marie Hänsel) steht ihm als Assistentin zur Seite. Die vier Hauptpersonen Fiordiligi (Johanna Will), Dorabella (Christiane Johanna Gänßler), Ferrando (Sie Hun Park) und Guglielmo (Meinhardt Möbius) treten schließlich als paarweise verbandelte Sitcom-Schauspieler auf, die stets zwischen Bühne und Hinterbühne auf- und abgehen.

Leonore Pilz und Dennis Ennen von der Dresdner Hochschule für Bildende Künste haben für diesen pfiffigen Stückzugang eine typische Sitcom-Kulisse im Wohnzimmerstil (Foto: PR/René Fußhöller) entworfen, in der das Spiel im Spiel stattfindet. Eine Videoleinwand zeigt zudem den Bereich hinter der Bühne. Hier streiten, pausieren und lachen die als Sitcom-Stars auftretenden Hauptcharaktere – vorn müssen sie den Partnertausch glaubhaft vorgaukeln, hinten wissen sie, wer sich hinter der Maskerade verbirgt. Die eigentliche Oper wird so auf geschickte Weise noch um eine Ebene erweitert, die den zumeist unkritischen TV-Konsum der Fernsehzuschauer hinterfragt.

Was hier vielleicht kompliziert klingt, verblüfft auf der Bühne als ungewöhnlich leichtfüßige und spritzige Opernvorstellung, der in Anbetracht von knapp fünf Wochen Probenzeit, die alle Beteiligten neben dem Studium stemmen mussten, höchster Respekt gebührt. Die jungen Darsteller überzeugen sowohl mit ihrer Spielfreude als auch gesanglich, wobei die Partitur des Stückes gerade für junge Stimmen eine große Herausforderung ist. Unter der musikalischen Leitung von Michael Blessing, der passend zum Stück ein reines Frauenorchester dirigiert, gedeiht der Abend zu einem soliden musikalischen Singspielerlebnis.

In Anlehnung an amerikanische Fernsehsitcoms stöckeln und stolpern hier auch einige vom Bildschirm bekannte Typen übers Parkett. So trägt Marie Hänsel als Despina ganz eindeutig Züge der „Nanny“, Guglielmo verwandelt sich dank Verkleidung plötzlich in den „Prinz von Bel Air“ und Ferrando ähnelt verblüffend komisch dem Tollplatsch Steve Urkel aus „Alle unter einem Dach“. Für Lacher sorgt auch immer wieder der von Leonore Pilz zusammengestellte Film-Vorspann zur Sitcom „School of Lovers“, die hier im Gewand von Mozarts Oper gezeigt wird.

So spielt die Inszenierung mit typischen Formen, Abläufen und Charakteren der amerikanischen Fernsehsitcom, doch geschieht dies alles, ohne dass es aufgesetzt oder penetrant wirken würde. Ungeachtet des lockeren Showcharakters bleibt die Oper immer Oper, in der Musik und Handlung wirkungsvoll Hand in Hand gehen. Und dennoch sind die gut zwei Stunden junger Kunst im Laborthater so kurzweilig, dass man am liebsten sitzen bleiben und weiter diesem opernhaften Fernsehspiel (oder war’s umgekehrt?) zuschauen möchte. Als am Ende dann doch die Lichter ausgehen, der Fernseher quasi abgeschaltet ist, kann man dem jungen Projekt für die fünf Vorstellungen in dieser Woche nur noch viele, viele Zuschauer wünschen …

Nicole Czerwinka

Szene12 spielt „Così fan tutte“ im Labortheater, wieder am 28./30.9., 2.10., je 20.15 Uhr, am 3.10., 16 Uhr und am 5.10., 20.15 Uhr

Linktipp: www.szene12.de

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Junger Mut zur Andersartigkeit

„Apollo und Hyacinthus“ im Labortheater

Am Anfang war es nur eine Schnapsidee. Eine A-cappella-Oper für Dresden sollte es werden, ein neues, wagemutiges Projekt, das sich Regiestudent Toni Burghard Friedrich zusammen mit seinem Freund Michael Blessing, Student für Musikpädagogik und Leiter des Jazzchores Dresden, eines weinseligen Abends vornahm. „Das war so eine Idee unter befreundeten Künstlern, weil Michael einen Chor leitet“, sagt Toni Burghard Friedrich. Der gebürtige Zittauer ist 22 Jahre alt, hat sein Abitur in Dresden gemacht und studiert derzeit Regie für Oper und Schauspiel in Wien. Gemeinsam mit Blessing begann er flugs, ein geeignetes Team für das mutige Vorhaben zusammenzusuchen. Sie bemühten Kontakte zu den Dresdner und Leipziger Musikhochschulen sowie zur Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in Dresden und fanden dort rund 25 junge Leute – allesamt Studenten, zwischen 20 und 27 Jahren alt – die seit März einen Verein namens „szene12“ bilden.

Allein das Vorhaben einer A-cappella-Oper entpuppte sich schnell als zu komplex für eine zeitnahe Aufführung, sodass die abendliche Schnapsidee unter der szene12-Flagge binnen eines Jahres schließlich zu einem sorgfältig geplanten, langfristig angelegten Musiktheaterprojekt für Dresden heranwuchs. Einmal im Jahr wollen die Studenten nun jeweils in den Semesterferien ein ebenso junges wie unkonventionelles Musiktheaterprojekt für die Stadt auf die Beine stellen.

Die Uraufführung der A-cappella-Oper „Serpentina“ nach E.T.A. Hoffmanns „Der goldene Topf“ vertagten sie also kurzerhand auf 2014 – wobei sie fortlaufend daran weiterkomponieren. Statt Hoffmanns Romantiknovelle wird szene12 am Donnerstag (13.9.) nun zunächst Mozarts ersten, sonst kaum gespielten Opernstreich „Apollo und Hyacinthus“ (1764) in einer jugendlich-ausprobierfreudigen Version mit neuem Leben erfüllen. Dank ihren Mitstreitern, den HfBK-Studenten Leonore Pilz und Dennis Ennen, die für Bühne und Kostüm verantwortlich zeichnen, war mit dem Labortheater der HfBK denn auch schnell ein geeigneter Aufführungsort gefunden.

In singspielhafter Weise haben die Studenten Mozarts Oper mit dem eher unbekannten Lustspiel „Der vermeinte Prinz“ (1674) von Kasper Stieler gepaart. Die Idee dazu kam Toni Burghard Friedrich in einem Theaterseminar in Wien. „Thema des Lustspiels ist ein König, der seine Tochter als männlichen Thronfolger erziehen lässt. Bei uns werden beide Werke auf Mozarts musikalischer Grundlage zu einem neuen Stück vereint“, sagt er. Solch ungewöhnliche Perspektiven auf kaum gespielte Stücke sowie besondere Aufführungsorte und experimentelle Ideen sind das Anliegen des Vereins. Szene12 will anders sein als die etablierten Hochschulinszenierungen in Dresden, freier, auch mutiger. „In jedem anderen Theater würde man vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn wir alle Rezitative einer Oper kürzen. Aber das ist eben das Schöne an unserem Verein, dass wir hier ganz frei mit unseren Mitteln spielen dürfen“, sagt er.

Die Zielgruppe für dieses Musiktheaterexperiment kann der junge Regisseur dagegen nur schwer bestimmen. Seine Inszenierung wird nur vom Klavier begleitet und stellt den Gesang in den Mittelpunkt. Sie sei nicht kitschig, aber schon verspielt, sagt Friedrich – und ergänzt: „Ich denke trotzdem, dass unser Mozart auch eine Oper für Einsteiger ist.“

Seit August laufen die Proben im Labortheater (Foto: PR). Doch damit nicht genug. Denn auch über die aktuelle Mozart-Aufführung und das A-cappella-Projekt von 2014 hinaus gebe es im Verein schon zahlreiche Ideen für weitere Inszenierungen, für deren Realisierung Mozart allenfalls den Auftakt bildet.

Damit dieser gelingt, feilen die Studenten mit viel Herzblut und Liebe zum Detail an der Inszenierung ihrer Minioper, die mit einem Minibudget von rund 400 Euro und von allen Beteiligten neben dem Studium unentgeltlich realisiert wurde. „Jeder hat für das Projekt so viel er kann in den Topf geschmissen“, sagt Friedrich. Das musste für Kostüme, Bühnenbild, den Druck von 2000 Flyern und Plakaten sowie die Verpflegung des Ensembles reichen. Die Webseite mit Probentagebuch erwuchs in Eigenregie des Regisseurs, das Labortheater stand dem jungen Team zudem in allen technischen Fragen zur Seite. Auch wird das szene12-Projekt für viele der Mitstreiter als Studienleistung für den bevorstehenden Master-Abschluss anerkannt. Für die kommenden Projekte wollen sie dennoch nach und nach Sponsoren finden.

Zunächst gilt es jedoch erst einmal, das Pilotprojekt erfolgreich über die Bühne zu bringen. Zur Premiere am Donnerstag sind die rund 120 Plätze im Labortheater – wohl auch dank eines lokalen Fernsehbeitrages – bereits ausverkauft. Für die beiden Folgevorstellungen am 14. und 15. September gibt es noch Karten zum Preis von neun Euro (ermäßigt sechs Euro). Nach den drei Aufführungen in dieser Woche soll „Apollon und Hyacinthus“ zudem auch im Mai 2013 noch einmal in Dresden zu sehen sein. Außerdem sind im kommenden Jahr Gastspiele in Berlin, Wien und Flensburg geplant. Anschließend beginnen dann nahtlos schon wieder die Proben für das nächste szene12-Stück. Ein Kantatentriptychon soll es werden, das steht bereits fest. – Und da sage noch einer, Schnapsideen seien unfruchtbare Stammtischgewächse.

 (erschienen in DNN vom 11.09.2012)

„Apollo und Hyacinthus“, am 13., 14., 15.9.2012, 20 Uhr im Labortheater, Karten zu 9 (ermäßigt 6) Euro unter Tickets@szene12.de sowie an der Abendkasse

Linktipp: www.szene12.de

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