Die gehässige Hedda

Ibsens „Hedda Gabler“ am Staatsschauspiel

„Der große Jammer dieser Welt ist, dass so viele Menschen nichts anderes tun als dem Glück nachzujagen, ohne es zu finden.“ (Henrik Ibsen)

Auf den ersten Blick könnte Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ fast ein wenig an Effi Briest erinnern. Aber nur fast. Denn während die junge Effi ihrem zwar wohlständigen dafür aber allzu trögen Ehealltag per Affäre zu entkommen versucht, sieht Hedda gar keinen Ausweg aus der selbstgewählten Langeweile. Zwar ahnt Ibsens Protagonistin, dass das Leben mehr für sie hergeben könnte, doch ist sie nicht fähig herauszufinden, was davon sie genau haben will.

Regisseur Tilmann Köhler zeigt Hedda in seiner Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden (Neufassung von Thomas Freyer) daher auch als modernen Überflussmenschen, der von allem zu viel hat, nichts mehr ernst nehmen kann und am Ende vor allem an sich selbst scheitert. Der Spiegel auf der Bühne (Karoly Risz) ist hier nicht nur raffinierte Kulisse, sondern wird gleichsam zum ironischen Selbstzweck – als Spiegel einer Gesellschaft, die im Überfluss ihrer Möglichkeiten zu ertrinken droht.

Ina Piontek lässt die schwierige Figur der frustriert gelangweilten, stur an ihrem Platz verharrenden Hedda Tesmann (geborene Gabler) dabei zu einem Menschen werden, den man irgendwie zu kennen glaubt. Anstatt die Tristesse mit dem chaotischen Lebemann Eilert Løvborg (herrlich verpeilt: Christian Erdmann) zu betäuben (der Effi-Weg), beginnt sie – unfähig, sich mit ihrem Alltag zu arrangieren, noch daraus auszubrechen – ein verhängnisvolles Machtspiel, das Løvborg schlussendlich ins Verderben stürzen wird. Christian Friedel gibt den Hedda-Gatten Jørgen Tesmann als Antifigur zu Løvborg phasenweise fast zu jugendlich, gewollt-komisch, mal naiv, immer aber lebensfroh, sodass die Figur weit weniger langweilig als ihr Ruf daher kommt.

Am Ende entspinnt sich auf der Bühne ein vielschichtiges Beziehungsgeflecht, in dem sich Hedda als Außenseiterin ohne Lebenssinn entblößt. Das alles passiert auf witzig ironische Weise, entwickelt sich allerdings in der ersten Hälfte noch zu langatmig. Auch die von Ibsen bewusst angelegten Dreiecksbeziehungen zeigen sich in der Inszenierung nur in Andeutungen. Die tiefgreifende Psychologie des Originals ist nur noch schemenhaft erkennbar. So bleibt das Stück bis zum Schluss vor allem ein heiterer Spiegel der Gesellschaft, der in erster Linie von der schauspielerischen Leistung des Ensembles lebt. Für einen unterhaltsamen Theaterabend reicht das jedoch allemal.

Nicole Laube

(erschienen in Hochschulzeitung „ad rem“, vom 25. Januar 2012)

Dresden, Kleines Haus, wieder am 25.01.2012, um 19.30 Uhr und am 08.02.2012, 19.30 Uhr

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