Rebellion für die Liebe

Die Bürgerbühne zeigt Shakespeares „Romeo und Julia“ als mitreißendes Dokumentarstück

Zwei Kinder, die sich lieben. Zwei Familien im Streit. William Shakespeares „Romeo und Julia“ erzählt mehr als nur die universelle Geschichte von unglücklich Liebenden. Es ist zugleich die Geschichte vom Hass zweier verfeindeter Familien, von sinnlosem Neid, Missgunst und Hilflosigkeit. Die Bürgerbühne Dresden bringt dazu ein mitreißendes zweisprachiges Theaterprojekt (Fotos: PR/Krafft Angerer) auf die Bühne, das die Beziehungen deutsch-arabischer Paare ins Rampenlicht rückt und somit offen den Bezug zur Gegenwart sucht.

Weiterlesen

Minimalistisch und Packend

„Nathan der Weise“ am Kleinen Haus

Es heißt, die Vorstellung ist ausverkauft. Und dennoch strömen immer wieder noch neue Menschen in den Saal des Kleinen Hauses, scannen die schon übervollen Sitzreihen, suchen gierig nach den letzten freien Plätzen. „Rücken Sie bitte eins weiter!“, und „Halt mir den Platz frei!“, hört man vereinzelt noch rufen – dann ertönt das dritte und finale Klingeln und plötzlich wird die Bühne erhellt.

Weiterlesen

Konzert für Ohr und Auge

Pekka Kuusisto Projekt fasziniert im Kleinen Haus

Es gibt Abende, für die liebt man die Dresdner Musikfestspiele einfach, weil sie ganz besondere Konzerterlebnisse schenken, nach denen man in Dresden sonst wohl vergeblich suchen würde. Das Pekka Kuustisto Projekt am Sonntag (24.5.) im Kleinen Haus war genau so ein Abend. Eine Mischung aus Lichtperformance, Ballett und musikalischer Virtuosität, die ihresgleichen sucht, so innovativ, dass sie in ihrer Faszination schwer zu beschreiben ist, doch ein Abend, der sicher noch lange im Gedächtnis haften bleiben wird.

Weiterlesen

Theater einmal derb und deftig, bitte!

Friedrich Dürrenmatts „Panne“ am Kleinen Haus

Es duftet nach Bratensoße und frisch belegten Schnittchen. Die Tafel, an der vier alte, tattrige Herren sitzen, ist mit einem blütenweißen Tischtuch bedeckt. Gerade als das Zimmermädchen einen edlen französischen Wein einschenken will, passiert draußen eine „Panne“. So beginnt das gleichnamige Stück von Friedrich Dürrenmatt in der Inszenierung von Roger Vontobel am Kleinen Haus Dresden. Doch die vermeintliche Tischordnung trügt – schon bald wird sie sich in ein heilloses Chaos, eine Essensschlacht mit Prozesscharakter verwandeln.

Weiterlesen

Willkommen mitten am Rand!

Bürgerbühne zeigt einen packenden „Katzelmacher“

Die Münchner Vorstadt, das ist am Kleinen Haus Prohlis oder Gorbitz. Die Figuren aus Rainer Werner Fassbinders Film „Katzelmacher“ (1969), das sind an der Bürgerbühne des Staatsschauspiels junge Menschen aus Dresden. Robert Lehniger inszeniert die Theaterversion auf der Bühne 3 unterm Dach in einer fließend ineinander übergehenden Raum-Video-Konstellation (Fotos: PR/Matthias Horn).

Weiterlesen

Frischer Wind für Hochschuloper

Jasmin Solfaghari, Opernregisseurin

Jasmin Solfaghari, Opernregisseurin

Jasmin Solfaghari inszeniert „Xerxes“ am Kleinen Haus

Als sie zum ersten Mal in Dresden gearbeitet hat, wehten in der Stadt noch rote Fahnen. „Das war im Oktober 1989 und ich habe für die Fidelio-Inszenierung an der Semperoper damals die Regieassistenz gemacht“, erinnert sich Jasmin Solfaghari (Foto: PR/Cathleen Herwarth). Inzwischen arbeitet die 50-Jährige als freie Regisseurin in ganz Deutschland, hat an der Staatsoperette Dresden „Hänsel und Gretel“ (2005), „Pariser Leben“ (2012) und „Eine Nacht in Venedig“ (2013) inszeniert.

Weiterlesen

Alle Macht der Verblödung

2000 Seiten, Staatsschauspiel Dresden
Burkhard C. Kosminski inszeniert 2000 Seiten am Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden (Foto: PR/Matthias Horn).

Lukas Bärfuss’ „20000 Seiten“ am Kleinen Haus

Im schummrigen Nachtlicht sitzt Tony (André Kaczmarczyk) auf seinem Bücherstapel vor dem Radiomikrofon. Er erzählt mit ruhiger, aber empörter Stimme über die beschämende Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Er berichtet vom unrühmlichen Umgang des kleinen Landes mit den Flüchtlingen vor dem Nazi-Regime – doch niemand hört ihm zu. Es ist vielleicht die berührendste Szene in Lukas Bärfuss Stück „20000 Seiten“, das am 17. Januar im Kleinen Haus Deutsche Erstaufführung feierte.

Weiterlesen

Aufwühlend persönliche Akteneinsicht

„Meine Akte und ich“ am Kleinen Haus

Meter von Aktenordnern und vergilbten Papier, kleine weiße Wolken geschredderter Vergangenheit am Boden, ein Holztisch, zahlreiche Regale – diese Kulisse ist statisch und doch so lebendig. Matthias Schaller hat mit seiner atmosphärischen Bühnengestaltung am Kleinen Haus 3 ein symbolhaftes Bild für das Stasi-Stück „Meine Akte und ich“ der Dresdner Bürgerbühne gefunden, das den neun Darstellern dennoch genug Raum für Individualität lässt.

Denn Künstlichkeit und Schauspielerei sind ganz sicher nicht das Anliegen, das Regisseur Clemens Bechtel mit seiner Inszenierung verfolgt. Vielmehr geht es hier um die unbedingte Authentizität der neun Dresdner, die sehr persönlich von ihren Erfahrungen mit der Staatssicherheit, schwarz auf weiß festgehalten im Inhalt ihrer Stasiakten, erzählen. Diese neun Geschichten verweben sich zu einem gut recherchierten, behutsam präsentierten Teil der DDR-Geschichte – und sind so unterschiedlich wie ihre Protagonisten selbst.

Da ist zum Beispiel Ex-EOS-Lehrer Max Fischer, der zwar nicht unterschrieb, dafür aber bei der Akteneinsicht später feststellte, dass er von jenem Kollegen, den er einst bespitzeln sollte, selbst verraten wurde. Oder Catharina Laube, die als Studentin einer politisch interessierten Gruppe angehörte und nach der Verhaftung eines Kommilitonen stundenlang von der Staatssicherheit verhört wurde. Auch Michael Schlosser, der „Dresdner Ikarus“, der einst mit einem selbst gebauten Flugzeug aus der DDR flüchten wollte, aber vorher von der Stasi geschnappt wurde, gehört zum Ensemble dieses berührend-authentischen Dokumentationstheaters.

Bechtel hüllt diese neun Schicksale in eine bühnentaugliche Dramaturgie und erarbeitet mit den individuellen Erfahrungen der Protagonisten eine Art Rückschau, ohne zu verurteilen, anzuklagen oder zu bewerten. Hier geht es nicht um Opfer und Täter – beide Seiten stehen sich auf der Bühne sogar gegenüber –, sondern vielmehr um die Funktionsweise des DDR-Geheimdienstes, die anhand der Akteneinsicht exemplarisch ein Stück weit offengelegt werden kann. Am aufwühlendsten ist dabei die Szene, in der Jürgen Gottschalk (Foto: PR/Matthias Horn), Michael Schlosser und Gottfried Dutschke sich an den Häftlingsalltag in der DDR erinnern. Doch auch an anderen Stellen sind die Ängste der Vergangenheit dank der Nähe aller Darsteller zum Thema nahezu greifbar.

Dennoch wird der Versuch, bei der nachträglichen Auseinandersetzung mit den Mechanismen der Diktatur Ursache und Wirkung in ihrem Zusammenhang darzustellen, immer Versuch bleiben – zu komplex ist das Thema, das sich der Nachvollziehbarkeit aus heutiger Sicht allzu gern entzieht. Es gehört zu den Stärken der Inszenierung, dass Bechtel auch das gar nicht zu verschleiern versucht, sondern die Protagonisten ganz für sich sprechen lässt. So ist das Stück mit Sicherheit eines der spannendsten, aber auch berührendsten im Spielplan der Dresdner Bürgerbühne.

Nicole Czerwinka

„Meine Akte“ am Kleinen Haus Dresden, wieder am 08.06., 18.06. und 30.06., jeweils 20 Uhr

Weiterlesen

Opernposse ohne Narren

Verdis „Falstaff“ am Kleinen Haus

Nein, selbstverständlich ist es wahrlich nicht, mit studentischen Stimmen eine Oper von Giuseppe Verdi zu inszenieren. Anlässlich des diesjährigen Doppeljubiläums 200 Jahre Wagner-Verdi wagte Andreas Baumann, der Leiter der Opernklasse an Dresdens Musikhochschule (HfM), für seine letzte Inszenierung dieses Experiment dennoch. So gipfelte die diesjährige Kooperationsarbeit der Dresdner Hochschulen für Musik (HfM) und Bildende Künste (HfBK) nun in einer bunt trubelnden Aufführung von Verdis letzter Oper „Falstaff“ (1893), die am Sonnabend (25.5.) im Rahmen der Dresdner Musikfestspiele am Kleinen Haus Premiere feierte.

Die lyrische Komödie in drei Akten (Libretto: Arrigo Boito) ist ein drolliges Stück, das auf William Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“ basiert, musikalisch allerdings längst nichts mehr mit der dramatischen Getragenheit von Verdis bekannten Opernschlagern gemein hat. Für die Hochschulkooperation übernahm daher der renommierte Kammersänger Matthias Henneberg die schwierige Titelpartie des Falstaff – und setzte mit seinem herrlich voluminösen Bariton einige Glanzpunkte des Abends. Der Rest blieb – sowohl gesanglich als auch gestalterisch – den Studenten der beiden Dresdner Kunsthochschulen überlassen, die der Herausforderung von Stoff und Partitur mit einer soliden, in den folgenden Vorstellungen sicher aber noch steigerbaren, Leistung trotzten.

Verdis letztes Opernwerk ist ein selbstironisches Stück, das die Entwicklung der Menschlichkeit jenseits bürgerlicher Konventionen hinterfragen will. Der ehrlose, aber ehrliche Falstaff wird dabei in allerlei Eifersuchtshändel verwickelt, die ihm die vermeintlich ehrvolle Bürgerschaft – allen voran die Weiber von Windsor – schließlich rückwirkend zum Verhängnis macht. Fern ab dieser Gesellschaft tauschen Nannetta und Fenton auf Wolke sieben jungverliebte Küsse, bis sie sich in altbekannter Opernlist, natürlich gegen den Willen von Nannettas Vater, doch das Jawort geben. Die Moral der Geschicht’ erteilt Verdi ganz am Ende musikalisch-vieldeutig: „Der Mensch ist ein Narr.“

Die beiden Bühnen- und Kostümbildnerinnen Sabine Mäder und Martina Lebert (HfBK) haben zu der mit Intrigen und zwischenmenschlichen Fallstricken vollgepackten Handlung eine moderne, sehr wandelbare Theaterkulisse mit hin- und herziehbaren Tafeln entworfen, auf der das über allen schwebende Liebespaar gen Himmel fliegt und der selbstgefällige Lebemann Falstaff sich immer wieder in sein dickes rettendes Schlauchboot zurückziehen kann. Die Figuren agieren in zeitlos gegenwärtigen Kostümen, statt einer Armee holt am Ende des zweiten Aktes gar eine Horde Footballspieler zum Hahnenkampf aus. Das alles macht die eher verworrene Handlung zu einem kunterbunten, komisch-kurzweiligen, jedoch erstaunlich klar strukturierten Opernabend, dem es zu keiner Zeit an Spannung mangelt.

Gesanglich ist das Premierenlampenfieber beim studentischen Ensemble (Foto: PR/Hans-Ludwig Böhme) zwar noch hin und wieder zu spüren, unter der Leitung von Ekkehard Klemm, der das Hochschulsinfonieorchester mit gewohnter Ruhe und Souveränität durch die Falstaff-Partitur führt, verklingen die kleinen Unsicherheiten jedoch nahezu ungehört im bunten Bühnentrubel. Unter den Solisten vermag es vor allem Gunyong Na in der Rolle des eifersüchtigen Ford mit seinem stimmgewaltigen Bariton zu überzeugen. Auch Jelena Josic gibt mit ihrem weichen, klaren Sopran eine wundervolle Nannetta und vereint sich mit Jaesig Lee als Fenton zu zauberhaften Liebesduetten im Stil des Bellcanto.

So ist das Experiment am Ende doch geglückt. Für Andreas Baumann ist dieser „Falstaff“ sicher ein zufriedenstellender Anfang vom Ende seiner 21-jährigen Arbeit als Leiter der HfM-Opernklasse. Als Regisseur realisierte er in „fruchtbarer Zusammenarbeit mit jungen, kreativen und motivierten Gesangsstudenten“ in dieser Zeit eine Reihe solcher jugendlich-frischen Operninszenierungen. Baumann war es auch, der die Kooperation von HfM und HfBK, teils auch mit der Palucca-Schule, initiiert sowie die nunmehr seit 2005 währende Zusammenarbeit mit dem Staatsschauspiel Dresden ins Leben gerufen hat. Wer ab dem kommenden Wintersemester sein Nachfolger wird, steht noch nicht fest. Aber eines ist sicher: Die studentischen Opernproduktionen im Kleinen Haus mögen Dresden auch weiterhin erhalten bleiben.

Nicole Czerwinka

Verdi „Falstaff“ am Kleinen Haus, wieder am 29.5., 19.30 Uhr; 2.6., 16 Uhr; 8.6., 14.6. und 22.6. je 19.30 Uhr

Weiterlesen

Verdi-Oper zur Festspielzeit

Dresdner Studenten inszenieren „Falstaff“

Giuseppe Verdis letzte Oper „Falstaff“ ist ein verwirrendes Stück, dessen Libretto (Arrigo Boito) auf William Shakespeares „Die lustigen Weiber von Windsor“ basiert. Mitten im Verdi-Jahr 2013 wollen die Dresdner Hochschulen für Bildende Künste (HfBK) und für Musik (HfM) diese eher selten gespielte Oper in ihrer gemeinsamen Produktion am Kleinen Haus erneut zum Leben erwecken – und schlagen dank Shakespeare auch noch gekonnt einen Bogen zum diesjährigen Motto (Empire) der Dresdner Musikfestspiele (11.5.-2.6.), in deren Rahmen die Premiere am 25. Mai stattfinden wird.

Die Geschichte von „Falstaff“ ist schwer in ein paar Sätzen zusammenzufassen. Drei Handlungsstränge konkurrieren hier um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Jelena Josic (Foto: privat) kennt sich dennoch bestens mit dem Stoff aus. Aus dem Gedächtnis erzählt die Gesangsstudentin, worum es im „Falstaff“ geht. „Das Stück ist eine Kritik an der Gesellschaft und eher untypisch für Verdi, es ist sehr komplex, immer wieder gibt es inhaltliche Brüche“, sagt sie. Jelena Josic singt in der aktuellen Hochschulproduktion die Rolle der Nannetta, einer jungen Frau, die die Liebesheirat der gewinnbringenden Verkuppelung durch ihren Vater vorzieht. „‚Falstaff‘ ist musikalisch sehr anspruchsvoll, aber es macht große Freude, diese Figur zu erarbeiten“, erzählt Josic und sprüht spürbar vor Begeisterung.

Verdis Nannetta ist ihre erste große Rolle auf der Opernbühne. Zuvor hat die gebürtige Serbin, die derzeit im sechsten Semester an der HfM Gesang und Musikpädagogik studiert, bei den Hochschulproduktionen „Figaros Hochzeit“ und „Der Wildschütz“ im Chor mitgesungen. „Aber es ist ein ganz anderes Gefühl, jetzt eine Hauptrolle zu singen“, sagt sie. Seit November hat sich Jelena Josic intensiv auf diese Partie vorbereitet, musste einige Prüfungen an der Hochschule verschieben, um im März und April zweimal am Tag für die Premiere proben zu können. Die Teilnahme an einer solchen Opernproduktion im realen Theaterambiente ist jedoch eine große Auszeichnung für jeden Gesangsstudenten. „Es ist eine sehr gute Vorbereitung auf das spätere Berufsleben als Sängerin, ich habe dank Verdi unheimlich viel für mein Hauptfach gelernt“, sagt sie.

Es sei wahnsinnig reizvoll, ein solches Stück einzustudieren, das später im regulären Spielplan des Kleinen Hauses verankert sein wird, schwärmt die Studentin. Sechsmal soll „Falstaff“ von den Studenten aufgeführt werden. Wie immer bei den Dresdner Hochschulproduktionen zeichnet die HfM dabei mit Sängern und Hochschulsinfonieorchester für Regie und den musikalischen Teil verantwortlich, während Maske, Kostüme und Bühnenbild in der Hand der HfBK-Studenten liegen. „Das Publikum zahlt für die Vorstellungen, da muss alles passen, egal ob es einem an dem Abend gutgeht oder nicht“, sagt Jelena Josic – und man merkt, wie viel Herzblut sie in die Rolle gesteckt hat.

Verdi liege ihr nicht zuletzt auch deswegen am Herzen, weil sie sich in ihrem Heimatland Serbien viel mit der italienischen Gesangsschule beschäftigt habe. Dass die Dresdner Musikhochschule sie schließlich aufgenommen hat, betrachtet die junge Sängerin als großes Geschenk. „Ich habe sofort nach der Aufnahmeprüfung gemerkt, dass ich hierher möchte“, erzählt sie begeistert und gesteht, dass sie für Dresden dann sogar eine Bewerbung in Wien sausen lassen hat. Die Premiere der Verdi-Oper während der Dresdner Musikfestspiele ist der erste Auftritt in einem so großen, offiziellen Rahmen für die Studentin. „Ich bin jetzt schon aufgeregt und freue mich wahnsinnig auf diesen Abend“, verrät sie so voll Enthusiasmus, dass man ihr am liebsten um den Hals fallen möchte.

Linktipps: www.musikfestspiele.com und www.hfmdd.de

Weiterlesen