Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ gibt es auf elbmargarita.de eine Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Ralf Günther: „Der Leibarzt“.
Erleben und Mitmachen steht bei der Schriftgut im Mittelpunkt. Schon das dritte Mal lädt Projektleiterin Peggy Salomo vom 7. bis 9. November zu einem „erlesenen Programm“ in die Dresdner Börse. Wichtige Schwerpunkte sind auch in diesem Jahr das traditionelle Handwerk und das Mitmachen (Foto: Josefine Gottwald). Die Buchbinderinnung Sachsen bietet zahlreiche Stationen in „Leseräumen“ an, wo die Besucher sich selbst beim Schreiben, Drucken, Setzen, Buchbinden oder Papierschöpfen ausprobieren können.
Messe „schriftgut“ lockt mit Handwerk und Historie
Dresdens individuelle Literaturmesse „schriftgut“ öffnet ihre Pforten diesen Herbst zum zweiten Mal. Lesefreudige Besucher (Foto: PR/Beatrice Schreckenbach) können vom 1. bis 3. November auf den Fußnoten barocker Dichtung wandeln und die Entstehung eines Buchs aktiv mitgestalten.
„Die großen Buchmessen sind oft sehr unpersönlich“, erzählt Peggy Salomo, Projektmanagerin der „schriftgut“ und Vizepräsidentin der Dresdner Gesellschaft für Literatur. „Zu viele Reize strömen auf die Menschen ein und man hat kaum Zeit, sich intensiv mit dem Medium Buch zu beschäftigen.“ Bei der „schrifgut“ soll das anders sein; hier wird das Mitmachen großgeschrieben, in verschiedenen Themenräumen können die Besucher Papier schöpfen, Kalligrafie lernen oder sich im traditionellen Druckverfahren ausprobieren. Die Buchbinder-Landesinnung Sachsen erklärt dabei, wie früher und heute Bücher gebunden wurden und was den Beruf eines handwerklichen Buchbinders ausmacht.
In der großen Halle präsentieren sich regionale Verlage und Zeitschriften, und auch das Programm auf den Lesebühnen wird zum Teil mit Dresdner Autoren gestaltet. Ralf Günther, bekannt vor allem durch seine historischen Romane, stellt am Messe-Samstag sein neues Buch vor, eine lustige Erzählung für die ganze Familie. Dresden-Krimi-Autor Frank Goldammer präsentiert seine Thriller und Romane am eigenen Stand. Am Sonntag verleiht die Literaturzeitschrift SIGNUM den „Weißen Raben“, einen neu ins Leben gerufenen Preis für die beste Debütveröffentlichung. Und auch die Literatur- und Kunstzeitschriften „Ostragehege“ und „Maulkorb“ haben sich angekündigt und zeigen den Besuchern lyrische und prosaische Gedanken zur Dresdner Kultur.
Neu in diesem Jahr ist der interaktive Zeitreise-Bereich: Mitten zwischen den Besuchern wandeln Persönlichkeiten der Epoche des Barock und rezitieren Briefe und Gedichte. Die Reichfürstin von Teschen, die das Theater revolutioniert hat, wird von einer Schauspielerin vorgestellt. Aber auch Friedrich der Große, Freiherr von Münchhausen, Hofbildhauer Balthasar Permoser und Sängerin Baronin von Moretti stehen Rede und Antwort. Beim Genießen des barocken Flairs kann man nicht nur Tänze und die „Fächersprache“ bei Hofe lernen, sondern auch barocken Märchen lauschen, sich barock schminken oder zeichnen lassen oder sich einfach zu Casanova ins Bett legen! Zwei Streicherkonzerte am Samstag runden die Zeitreise ab, und für die Kinder gibt es eine echte barocke Puppenstube zu bestaunen.
Die Leseförderung beim Nachwuchs ist den Organisatoren wichtig: Die Städtischen Bibliotheken parken die Fahrbibliothek vor der Messe und gestalten für Kinder und Jugendliche ein buntes Programm. Außerdem darf eifrig gebastelt werden: Selbst gemachte Weihnachtskarten und Linolschnitte sollen die Kinder anregen, sich mit dem Medium Papier und der Druckkunst zu beschäftigen.
Bianca Raum von „Literatwo – Binea & Mr Rail“ übernimmt auf der „schriftgut“ das Live-Blogging mit Verlosung und stattet alle Kinder als Messereporter aus. Mit einem eigenen Presse-Ausweis und einem Quiz zu den Themengebieten machen sich die Wissbegierigen auf den Weg über das Gelände, um Aussteller und Teilnehmer „Löcher in den Bauch“ zu fragen. Wie winzig ist eigentlich eine Minibuch-Bibliothek und was könnte ein „Lesespaten“ sein? Neben Infos zum Barock gilt es auch, das Autogramm eines Schriftstellers zu ergattern – aber davon trifft man auf der „schriftgut“ ja genug!
Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ startet auf elbmargarita.de eine neue Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Ralf Günther. „Der Dieb von Dresden“
Ein unerhörter Mord erschüttert die Dresdner Innenstadt. Maximilian Lenzen, der Stellevertreter des Direktors der Kunstsammlung im Grünen Gewölbe (Hofrat von Block) wird mit einer heißen Schokolade vergiftet. Schnell gerät von Block, der sich zur Auffrischung seiner privaten Edelstein- und Kuriositäten-Sammlung heimlich auch aus den Schätzen des Hofes bediente, unter Verdacht. Die Figur des von Block und seiner kuriosen Sammelleidenschaft ist ebenso historisch verbürgt, wie die des Musikers und Schriftstellers E.T.A. Hoffmann, der Blocks Tochter Ariane im Roman nicht nur Klavierunterricht gibt, sondern auch bei der Aufklärung des Verbrechens behilflich ist.
Der gebürtige Kölner Ralf Günther hat mit „Der Dieb von Dresden“ 2009 erstmals seine Wahlheimat Dresden in den Mittelpunkt einer historischen Romanhandlung gestellt. Schon ein Jahr später folgte mit „Der Leibarzt“ (2010) das zweite, und 2013 mit „Die Türkische Mätresse“ sein drittes Werk mit Dresden-Bezug. Die Figur des Hofrats von Block, dem „Dieb von Dresden“, geht auf den Baron Peter Ludwig von Block, den ersten Inspektor des Grünen Gewölbes zurück. Dieser ließ tatsächlich einst große Edelsteine aus Juwelen-Garnituren der Schatzkammer gegen kleine Steine austauschen und versetzte die anderen im Pfandhaus. 1816 wurde sein Vergehen entdeckt.
Den historischen Hintergrund der Romanhandlung zeichnen jene Tage im Jahr 1813, in denen Napoleon geschlagen aus Russland zurückkehrt, um in der Dresdner Gegend seine letzten Gefechte auszutragen. Es ist eine Zeit, in der die Neuverteilung der Macht bereits wie ein Damoklesschwert über dem Land schwebt und geheimdiplomatische Ränkespiele auch über das gesellschaftliche Hofparkett in der sächsischen Residenz ziehen.
Sorgsam recherchiert und verständlich aufgearbeitet, verwebt Ralf Günther historische Fakten mit seiner kriminalistisch angehauchten Romanhandlung um den diebischen Hofrat von Block. Das Gesamtkonzept des Romans ist klug konstruiert, ihm fehlt es allerdings über weite Strecken am roten Faden und damit auch an Spannung. Die Figuren von Block, Hoffmann und Ariane erscheinen als gleichberechtigte Hauptfiguren, was teilweise verwirrt und den Lesefluss etwas lähmt.
Trotz der gelungenen Atmosphäre, die Günther in seinen Stadtbeschreibungen immer wieder schafft, wirken einige Faktoren dabei ein wenig aufgesetzt. Die Figur E.T.A. Hoffmans etwa scheint eher ein Alibi für den prominent besuchten Dresdner Hof der Zeit zu sein. Die wahre Biografie des hier einerseits als labilen Trinker, andererseits als hilfreichen Klavierlehrer dargestellten Schriftstellers ist dabei für die Handlung des Romans – anders als bei von Block – jedoch kaum von Belang.