Lesetipp im Oktober: Anne Stern „Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie“
Keine Frage, dieses Buch ist eine Hommage an Dresden und sein Opernhaus: Anne Stern entführt uns mit ihrem Roman „Dunkel der Himmel, goldhell die Melodie“ ins Dresden im Jahr 1841. Das frisch eröffnete Königliche Hoftheater birgt seine Geheimnisse – vor und hinter der Bühne. Es ist ein magischer Ort, der auch die junge Elise Spielmann in seinen Bann zieht.
Lesetipp im Juli: „Ein Rätsel auf blauschwarzem Grund“ von Lars Mytting
Tief unten im Løsnesvatn ruht eine alte steinerne Kirchenglocke, um die sich so manche Mythen ranken. Es heißt, sie sei eine von zwei Schwesternglocken, einst für die siamesischen Zwillinge Gunhild und Hilfrid Hekne gegossen, jedoch getrennt, als die 700 Jahre alte Stabkirche in Butangen abgebaut und vom tiefsten Norwegen nach Dresden verbracht wurde. Der Autor Lars Mytting schenkt dieser Stabkirche in seiner „Schwesternglocken“-Trilogie im Großen Garten am Ufer des Carolasees eine neue Heimat. Mit dem Roman „Ein Rätsel auf blauschwarzem Grund“ ist der zweite Teil dieser Trilogie erschienen, der uns ins archaische Norwegen um 1800 ebenso wie ins königliche Dresden führt.
Lesetipp im Juni: Thees Uhlmann „Sophia, der Tod und ich“
Das Setting ist so skurril wie beängstigend: Stell dir vor, es klingelt frühmorgens an deiner Tür, du öffnest noch schlaftrunken, während in der Küche gerade der Kaffee durch den Filter tröpfelt – und draußen steht der Tod. Es ist nicht der schwarze Sensenmann, den wir aus Filmen und Büchern zu fürchten glauben, der Tod zeigt sich als halbwegs normale Person, die dir auch noch ähnlich sieht. Und er will dich mitnehmen.
Mit einem Adventskalender möchte elbmargarita.de ihren Lesern die schönste Zeit im Jahr versüßen und der Dresdner Kultur im Lockdown einmal mehr die virtuelle Bühne öffnen. Hier geht’s zu Türchen Nr. 6.
Josefine Gottwald entführt mit „Mermaid“ in faszinierende Tiefseelandschaften
Abtauchen ist das Motto für die diesjährigen Osterfeiertage. Und wie könnte das besser gelingen als mit einem guten Buch? Die Fantasy-Autorin Josefine Gottwald entführt uns mit ihrem aktuellen Roman „Mermaid – Erwachen“ in die unergründliche Landschaft der Tiefsee. Im Mittelpunkt stehen drei Schwestern, alle samt verführerische Meerjungfrauen – jedoch charakterlich so verschieden wie ihre Haarfarben.
Die Landesbühnen Sachsen bringen den Erfolgsroman als punkige Oper auf die Bühne
Wolfgang Herrndorfs Jugendroman „Tschick“ (2010) ist wohl eine der rasantesten Road Novels der letzten Jahre. Das Buch erlangte in kürzester Zeit Kultstatus, wurde 2016 verfilmt und eroberte in der Schauspielfassung von Robert Koall (2011) von Dresden aus die Bühnen im Land. Vor einem Jahr hat Ludger Vollmer die Story für das Theater Hagen in eine modern-schrille Opernpartitur gegossen, Tiina Hartmann schrieb das Libretto – und Sebastian Ritschel findet mit seiner Inszenierung der Road Oper (Fotos: Matthias Rietschel) an den Landesbühnen Sachsen jetzt graffitibunte Bilder für eine Jugend auf der Überholspur.
Die romantische Landschaft – oder: Warum nur wenige große Romane in Dresden spielen
Dresden ist als Kunst-, Architektur- und Musikstadt bekannt. Dieser Ruf halt bis heute weit über das Elbtal hinaus. Selten ist dagegen von Dresden als einer Literaturstadt die Rede. In einer neuen Serie widmen wir uns daher der literarischen Dimension von Dresden, wollen in Büchern, Gedichten, Briefen und Reiseberichten auf Spurensuche gehen, ins Gespräch mit Autoren kommen. In Teil 1 stellen wir uns dabei die Frage, wie literarisch Dresden wirklich ist. Ein Lesestück.
Herbstzeit ist auch Lesezeit. Unter dem Motto „Herbstauslese“ gibt es auf elbmargarita.de eine Serie, in der wir ausgewählte Romane und Erzählungen rezensieren, die in Dresden spielen. Heute: Ralf Günther: „Der Leibarzt“.
Mit furioser Eigenwerbung der öffentlich-rechtlichen Sender angekündigt, flimmerte der lang erwartete Zweiteiler zu Uwe Tellkamps Dresden-Roman „Der Turm“ (2008) am Tag der Einheit und dem Nacheinheitstag über die deutschen Bildschirme. Die Einschaltquoten von rund 7,5 Millionen (Marktanteil 21 Prozent) für den ersten und 6,3 Millionen (Marktanteil 19,7 Prozent) für den zweiten Teil rechtfertigen wohl auch für den Film die Bezeichnung als Bestseller.
Wie im Roman führt Regisseur Christian Schwochow die Zuschauer dabei zunächst per Standseilbahnfahrt hinauf in jenes Dresdner Viertel, das Tellkamp in seinem Roman zum gutbürgerlich abgegrenzten „Turm“ (Foto: N. Czerwinka) stilisiert. Mit flotten Schnitten haben die Filmemacher die Handlung des Wälzers auf zwei abendfüllende Filmeteile zusammengerafft, ohne die Vorlage dabei zu verhunzen. Die Abweichungen von der Romanhandlung sind nur gering und die paar eingefügten Szenen wirken eher erklärend, als störend. So wähnt sich Deutschlands Fernsehpublikum nach den gut 180 Filmminuten wohl glücklich, dass es sich die Lektüre der fast 1000 sprachlich teils zäh mäandernden Buchseiten über den DDR-Alltag in Dresdens Nobelviertel dank gesamtdeutschem Bildungsfernsehen nun ersparen konnte. Der Film erfüllt damit genau jene Hoffnung, die vor fast genau zwei Jahren bereits die gleichnamige Theaterinszenierung am Staatsschauspiel Dresden weckte – die mittels Schauspiel jedoch Lektüre nicht gänzlich ersetzen konnte, was Dresden und seine Gäste wiederum enttäuschte.
Der Handlungsort Dresden und sein Hirsch-Viertel aber – und das ist der eben große Unterschied zum Buch – spielen im Film allenfalls eine periphere Rolle. Die besagte Standseilbahnfahrt, ein Spaziergang auf den Straßen, eine Villa. Das ist neben den immer wieder eingeblendeten Panoramabildern auch schon alles, was von der Stadt im Film gezeigt wird. Im Gegensatz zum eigentlichen „Turm“ bekommt hier vielmehr das bei Tellkamp gegenüber angelegte (fiktive) „Bonzenviertel“ Ostrom mit roten Fahnen und Peter Sodann (als Barsano) ein Film-Gesicht. So rückt der sozialistische Staatsapparat vor einer Art türmerischer Geheimgesellschaft auf dem Bildschirm über weite Strecken in den Vordergrund.
Denn anders als im Roman steigen die Figuren in Thomas Kirchners Drehbuch von Anfang an von diesem Turm hinunter. Zwar sind die Hoffmanns, Rohdes und Tietzes (der Film wirft für Buchunkundige blitzschnell mit unzähligen Namen um sich) ebenfalls Intellektuelle und Ärzte, jedoch hat der Nischencharakter von Tellkamps „Turmgesellschaft“ (die es übrigens auch schon bei Goethe gab) auf dem Hirsch über den Dächern von Dresden im Film-„Turm“ kaum noch Bedeutung. Im Gegenteil: Die im Buch so bildhaft beschriebene Hermetik des Stadtviertels wird bei Schwachow zugunsten der Handlung und präziser Charakterdarstellungen (zumindest der Hauptpersonen) zurückgedrängt. Auch die Tellkamp‘sche Walpurgisnacht, in der sich Turmgesellschaft und Oströmer am Ende des Romans rauschhaft begegnen, wird eliminiert. Die bröckelige Umgebung der mit Antiquitäten und Kunst vollgestopften Villenstuben ist damit nur mehr Kulisse für das nackte Handlungsgerüst. Und dass dieses auf den heimischen Bildschirmen auch ohne den literarischen Schnickschnack drum herum funktioniert, ist wohl vor allem der Verdienst der grandiosen Darsteller sowie eines ausgefeilten Gestaltungskonzeptes, das immerhin Raum für kleine Anspielungen auf einige der literarischen Leitmotive der Romanvorlage (etwa Umweltverschmutzung und Naturbilder) lässt. Was man freilich nur dann erkennt, wenn man sie denn gelesen hat.
Das ist für Dresden und die (Primetime ARD-) Fernsehzuschauer, auch für Buchleser und offenbar sogar für den Autor selbst zu verschmerzen. Denn letztlich wirft der Film ja nur eine andere Perspektive auf das Buch, eine Perspektive, die der Roman aber durchaus in sich selbst widerspiegelt – obwohl man sich bei manch schnellem Szenenwechsel doch fragt, ob Nicht-Roman-Kenner alle Handlungsstränge noch nachvollziehen können. Was allein an dieser Perspektive stört, ist nicht dem Film und schon gar nicht dem detailreichen Roman geschuldet. Es ist allein der Anspruch, der in allen Ankündigungsinterviews und Filmvorschauen – sie sind bis heute in einer umfassenden Mediathek im Internet nachzulesen – an diesen Stoff gestellt wird. Zwischen den Zeilen nämlich erweckt dieses öffentlich-rechtliche Bonusmaterial einmal mehr den Eindruck, Tellkamps buchpreisgekröntes Werk solle nun, 22 Jahre nach der Wende, einem Massenpublikum via Filmabend vor der Flimmerkiste dazu verhelfen, die DDR und ihren Alltag posthum zu verstehen, ohne ihn dabei zu gleich wieder zu verklären. Dafür gab es auch schon andere, hochgelobte Beispiele. Erfüllt wurde diese Erwartung aber dennoch nie. Wer den „Turm“ allerdings ohne die Sehnsucht nach derlei historischen Erklärungen sieht, wird in ihm nicht nur eine geglückte Romanzusammenfassung, sondern auch einen packenden Film, eben eine „Geschichte aus einem längst versunkenen Land“ entdecken.
Einen fast 1000-seitigen Roman hat der Autor Uwe Tellkamp seiner sonst von den Literaten eher karg bedachten Heimatstadt Dresden gewidmet und dank DDR-Sujet mit dem „Turm“ (2008) gleich auch diverse hochdotierte Literaturpreise abgesahnt. Mehrere Theaterversionen des Endzeitenepos aus der ehemaligen Sowjetzone kursieren an deutschen Theatern und nun wird dem opus magnum mit der Verfilmung das mediale Krönchen aufgesetzt.
Ab September wird der MDR im Auftrag der ARD mit den Dreharbeiten am „Turm“ beginnen. Die Fernsehzuschauer und all jene, die es bislang weder ins Theater noch bis zu letzten Romanseite geschafft haben, dürfen indes der Ausstrahlung des Zweiteilers mit Jan-Josef Liefers in der Hauptrolle im Jahr 2012 entgegen fiebern.
Die Komparsen für den Dreh wurden bereits am Wochenende in Dresden gecastet. Die Kameras werden jedoch weniger auf dem Originalschauplatz am Weißen Hirsch (Foto: NL), sondern vielmehr in Tharandt zum Einsatz kommen. Auch Berlin und Görlitz werden zur Kulisse für den Dresden-Roman-Film erkoren. In Tharandt jedenfalls sollen die Kameras bis Dezember laufen. (NL)