Tschaikowskis „Eugen Onegin“ beschließt die Saison an der Semperoper Dresden
Er ist der Macho, der Unnahbare, der sich allen gesellschaftlichen Regeln widersetzt. Ein Mann, der sich in Rebellion flüchtet, unfähig, etwas anderes als sich selbst zu sehen. Am Ende jedoch wird „Eugen Onegin“ (1878) in Piotr Iljitsch Tschaikowskis Lyrischen Szenen nach einem Roman von Alexander Puschkin dann doch noch ganz weich – und kämpft. Er kämpft um Tatjana, eine Frau, die ebenso wie er am Rande einer Gesellschaft steht, in der Gewohnheit als Ersatz für Glück gilt – und er verliert. Was für ein Stoff und was für Musik, die Tschaikowski geschrieben hat, um Angst, Liebe, Sehnsucht und Hass vor der Folie einer öden Epoche ohne Heroen in poetische Klänge zu gießen. Kein Wunder, dass dieses eigentlich unspektakuläre und doch so berührende Werk zu den Schlagern der Operngeschichte zählt. Die Semperoper Dresden (Fotos: PR/Jochen Quast) hätte jedenfalls kein besseres finden können, um die diesjährige Saison zu beschließen.
Volle Pulle Kultur in Dresden – und wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual. Wir picken in dieser Rubrik jede Woche drei einmalige Veranstaltungen am Freitag, Sonnabend und Sonntag für Dresden in Vorschau heraus.
Volle Pulle Kultur in Dresden – und wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual. Wir picken in unserer Rubrik „KaW“ (Kultur am Wochenende) jede Woche drei einmalige Veranstaltungen am Freitag, Sonnabend und Sonntag für Dresden in Vorschau heraus.
Die Adventszeit ist gemeinhin auch die Zeit der Märchen. Und keine Oper ist mit diesen letzten, oft glänzenden Tagen im Jahr wohl enger verbunden als Engelbert Humperdicks (1854–1921) „Hänsel und Gretel“ (1893). Selten gespielt wird dagegen seine zweite Oper „Königskinder“ (uraufgeführt 1910 in New York) mit einem Libretto von Elsa Bernstein. Es ist eine Geschichte von Verblendung und Kälte einer Gesellschaft, die das wahre Gute nicht zu erkennen vermag. Nach der umjubelten Premiere und Wiederentdeckung des Stücks (Fotos: PR/Matthias Creutziger) an der Semperoper Dresden am Freitag (19.12.) muss man sich wundern, warum es so selten zu sehen ist.
Lieber Zuschauer da unten im Parkett, ja, genau Du mit der Brille und den schwarzen Haaren, der im hellblauen Hemd, der ständig mit dem Handy spielt. Der junge Mann, der so elegant und gebildet wirkt, sich in diesem Konzert allerdings zu langweilen scheint. Ja, von hier oben aus im Rang ist es genau zu sehen, wie Du immer wieder Dein smartes Mobiltelefon zückst und Mails abrufst oder Whatsapp-Nachrichten, vielleicht auch SMS Deiner Freundin (aber die sitzt ja wohl neben Dir!).
Alle Jahre wieder, wenn Glühweinduft durch die Straßen weht und Winterfrost in die Nasen zwickt, zieht es die Welt in kuschelig warme Theatersäle. Dort steigen zur Weihnachtszeit Märchenfiguren aus der Vergessenheit empor, rütteln Melodien längst schlummernde Kindheitserinnerungen wach und lassen den Zauber des Jahresendes für ein paar wohlige Stunden lang Wahrheit werden. Was? Das glaubt ihr nicht? Dann schaut selbst, wie Dresdens Theater zur Weihnachtszeit funkeln:
Staatsschauspiel Dresden:
Am Staatsschauspiel Dresden versteckt sich dieses Jahr im Advent zum ersten Mal Erich Kästners „Klaus im Schrank“ und feiert samt seiner Familie ein verkehrtes Weihnachtsfest. Zudem treiben auch die drei Geister aus Charles Dickens „A Christmas Carol“ wieder ihr Unwesen im Palais im Großen Garten. Wer sich eines der beiden Stücke anschauen will, der muss jedoch schnell sein, die meisten Vorstellungen sind schon ausverkauft!
Landesbühnen Sachsen:
Dis Landesbühnen Sachsen bescheren zur Weihnachtszeit eine Qual der Wahl. Zum einen erobert hier die Musicalversion des Kultfilms „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ die Theaterbühnen, zum anderen wird hier wohl auch all jenen warm ums Herz, für die Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ zum Advent gehört wie Stollen und Lebkuchen. Zudem versüßt hier auch „Ox und Esel“, eine tierische Weihnachtsgeschichte von Norbert Ebel den Advent.
Theater junge Generation:
Das Theater der jungen Generation (tjg) tischt zum Fest dieses Jahr die ebenso komische wie nachdenkliche Geschichte über die verrückte Familie Herdmann auf. Diese will in dem turbulenten Stück „Hilfe, die Herdmanns kommen!“ natürlich unbedingt beim Krippenspiel in einer Kleinstadt mitmachen, schnappt sich flugs die begehrtesten Rollen und sorgt dabei für allerlei Aufruhr bei den Nachbarn. Ob am Ende daraus noch ein friedliches Fest wird?
Theaterkahn:
Lustig wird es auch auf dem Theaterkahn. Hier verbünden sich Patrick Barlow, Peter Kube und Tom Quaas zur sogenannten Weihnachtskultkomödie „Der Messias“, in dem die Weihnachtsgeschichte mit vielen Überraschungen einmal ganz anderes erzählt wird als sonst. An den Tagen rings ums Fest lädt zudem ein Programm mit Geschichten Musik vom Michael-Fuchs-Trio zu besinnlichen „Weihnachten auf dem Theaterkahn“ ein.
Comödie Dresden:
Ein süßer Protagonist der Weihnachtszeit wird zur Hauptfigur des neuen Weihnachtsmusicals an der Comödie Dresden. Das Stück „Willie der Weihnachtsstollen“ stammt aus der Feder des Comödien-Intendanten Christian Kühn und erzählt die Geschichte von einem in der Backstube vergessenen Stollen, der sich auf eine abenteuerliche Reise über den Striezelmarkt begibt. Mit von der Partie ist dabei auch DSDS-Sternchen Lisa Wohlgemut in der Rolle von Krümel, dem Baisertörtchen.
Theater Wechselbad der Gefühle:
Das schöne Märchen „Das singende, klingende Bäumchen“ flimmert dieses Jahr zum Fest nicht nur über die Fernsehbildschirme. Im Theater Wechselbad erobert der DEFA-Märchenklassiker nun auch die Bühne und wird dort nicht allein Kinderherzen an den Festtagen erfreuen. Die Produktion stammt übrigens von den Machern von „Die Hexe Babajaga“ und „Spuk unterm Riesenrad“.
Societaetstheater:
Kein Theater, aber dafür umso mehr Weihnachten bescheren das Dresdner Societaetstheater und das Barockviertel im Advent. Beim Adventsgeschichtenkalender lesen stadtbekannte Dresdner im Barockviertel vom 1. bis zum 23. Dezember jeden Tag winterliche Märchen oder Weihnachtsgeschichten. Die literarischen Kalendertürchen öffnen sich jeden Tag um 18 Uhr an einem anderen Ort im Barockviertel. Glühwein, Gebäck und Kerzenschein inklusive.
Theaterhaus Rudi:
Weihnachtszeit ist auch im Theaterhaus Rudi gleich Märchenzeit. Hier sind Familien zu einer ganz besonderen Vorstellung von „Hänsel und Gretel“ eingeladen. Im Puppentheater mit Karla Wintermann steht außerdem „Frau Holle“ auf dem Programm und Katharina Randel inszeniert mit ihren Puppen das Märchen „Der Wolf und die sieben Geißlein“.
Projekttheater:
Heiliger Bimbam! Die Weihnachtsgeschichte soll gar nicht wahr sein? Die bühne, das Theater der TU Dresden, hinterfragt dieses Jahr in ihrer Weihnachtsshow „The Holy Shit!“, was wäre wenn. Zu sehen ist dieses freche, junge Theater dreimal im Dezember im Projekttheater Dresden – und ganz sicher wird dabei so manche lustige Wahrheit über das Weihnachtsfest entlarvt.
Semperoper:
Gleich dreifach märchenhafte Weihnachtsunterhaltung schenkt die Semperoper im Advent. Hier tanzt Peter Tschaikowskis Nußknacker-Ballett (Foto: PR/Costin Radu) kunterbunt über die Hauptbühne, während in Semper II „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ das kleine Publikum in seinen Bann zieht und „Hänsel und Gretel“ sich in der zuckersüßen Inszenierung von Katharina Thalbach aus dem Pfefferkuchenhaus der Hexe befreien.
Staatsoperette:
Die Staatsoperette Dresden setzt zum Jahresende ebenfalls auf den Zauber der Märchenwelt. Neben Humperdincks „Hänsel und Gretel“ kommt hier mit der „Weihnachtsgans Auguste“ ein weiteres typisches Weihnachtsstück unter den Baum. Und auch der „Zauberer von Oz“ spukt hier über die Bühne, um die Qual der Wahl perfekt zu machen.
Es rattert, piept, tickt, brummt, blinkt, spricht und hämmert – das alles vereint in einem rasanten, technoartigen Rhythmus. So klingt die Gläserne Manufaktur in Dresden für den Sounddesigner Jarii van Gohl. Für seinen Soundkalender 2013 sammelt er die typischen Geräusche aus zwölf Dresdner Gebäuden und verpackt diese in ein jeweils charakteristisches Klangbild. Die gläserne Phaeton-Fabrik am Straßburger Platz bildet das akustische Kalenderblatt für den November.
„Die Liebe ist ein wilder Vogel“, singt „Carmen“ in der gleichnamigen Oper (1875) von Georges Bizet und meint damit wohl vor allem sich selbst. Wild und freiheitsliebend ist diese Carmen, die zwei Männer liebt, dabei aber auch ein Inbegriff des Weiblichen ist – verführerisch, leidenschaftlich, emotional, sexy und durchtrieben. Bizets Werk, das heute zu den am häufigsten aufgeführten Opern des internationalen Repertoires gehört und dessen Melodien jedem irgendwie bekannt sind, erobert nun in einer Inszenierung von Axel Köhler als Neuproduktion (Premiere am 28.9.) die Bühne der Dresdner Semperoper.
Einen prominenten Geburtstag feiert man am besten mit prominenten Gästen. So jedenfalls hätte es Dresdens ehemaligem Hofkapellmeister Richard Wagner (1813-1883) wohl gefallen – und so hat er es von seiner zweiten Heimatstadt zum 200. auch bekommen. Seit langem schon waren die beiden Geburtstagskonzerte der Sächsischen Staatskapelle Dresden zu Ehren des Komponisten ausverkauft. Sowohl am 18. Mai in der Frauenkirche als auch am 21. Mai in der Semperoper erklangen dabei vor allem die Werke mit Dresden-Bezug unter der Leitung des viel gerühmten Wagner-Dirigenten und –Nachfolgers Christian Thielemann.
Regisseurin Bettina Bruinier lässt in Mozarts „La clemenza di Tito“ an der Semperoper Fuchs und Adler zusammentreffen und vereint so Oper und Fabel auf neuartige Weise.
Irgendwie scheint es clever, Mozarts messerscharfen musikalischen Figurencharakterisierungen in „La clemenza di Tito“ ein tierisches Gesicht zu verleihen. So wird der milde Herrscher Titus (Steve Davislim ) in der aktuellen Inszenierung an der Semperoper zum Adler und dessen durchtriebene Angebetete Vitellia (Amanda Majeski ) zur schlauen Füchsin. Regisseurin Bettina Bruinier gibt dem Stoff damit eine ganz neue, ironisch-fabelhafte Ebene (Kostüme: Mareile Krettek). Abgesehen davon spielt die Geschichte um Verrat und Güte an der Semperoper aber genau dort, wo Mozarts Librettist Pietro Metastasio sie 1791 anlegte: im alten Rom (Bühne: Volker Thiele). Dort überflügelt Adler Titus sein Reich, während Füchsin Vitellia und Hund Sesto (Anke Vondung) Intrigen spinnen (Foto: PR/Matthias Creutziger). Alle drei brillieren mit grandiosen Sangesleistungen. Vor allem Steve Davislim verfügt stimmlich über alles, was Mozarts Herrscherpartie braucht.
Spätestens im zweiten Akt, Rom ist längst in Schutt und Asche gebrannt, gerät das Tierfigurengefüge der Inszenierung jedoch ein wenig ins Wanken. Hund Sesto ist der Erste, der seine tierische Maske zugunsten reuiger Menschlichkeit fallen lassen darf. Der Zuschauer jedoch muss nach den bunten Szenen des ersten Aktes nun ein eher statisches Spiel in Kauf nehmen. Nicht nur die Masken der Protagonisten, auch die der Inszenierung scheint sich an dieser Stelle zu lüften, wird die Reduktion der eigentlich bis heute universell gültigen Oper auf eine klassische, eher brave und daher langweilige Lesart nun überdeutlich. Spannend ist hier allein die musikalische Interpretation von Sängern und Staatskapelle unter der Leitung Tomáš Netopils. Auch wenn der Schlusschor am Ende noch einmal zur gewaltigen Szene gerät, so bleibt das Werk insgesamt zwar als gelungene, jedoch keinesfalls herausragende Regiearbeit in Erinnerung.
Nicole Czerwinka
(erschienen in Hochschulzeitung „ad rem“ Nr. 15 vom 06.06.2012)
Semperoper Dresden, wieder am 08.06. und 15.6., 19 Uhr