„Der Arzt wider Willen“ an der St. Pauli Ruine
„Ich bin der Mann im Haus, was ich sage, ist Befehl“, deklamiert Sganarelle, ein uncharmanter Trunkenbold und Spieler, bevor er seiner Frau Martine eine heftige Tracht Prügel versetzt. Doch die weiß sich zu rächen, indem sie ihren Gatten wenig später als Wunderheiler hinstellt, man müsse es nur gehörig aus ihm herausprügeln – und das Schauspiel nimmt seinen Lauf.
Mit dem „Arzt wider Willen“ holt Regisseur Jörg Berger eines der meistgespielten Stücke Molières auf die Sommerbühne in der St. Pauli Ruine. Christoph Wagner schlüpft hier in die Hauptrolle mit Clownsgesicht (Foto: PR) und gibt einen gerissen-lebensfrohen Trunkenbold Sganarelle, dem der Schalk ob seiner Verwechselung mit einem echten Doktor sprichwörtlich aus den Augen lacht. Mit der Rolle des Doktors freundet er sich nicht zuletzt der guten Bezahlung wegen sehr bald an und doktert fortan – mehr unwissend, denn verantwortungsbewusst – fröhlich an seinen Patienten herum.
Dass die stumme Lucinde dabei tatsächlich ihre Sprache wiederfindet, ist eher einer gütigen Fügung, denn seinem Können zu verdanken, hält jedoch die ganze bunte Gesellschaft – Lucindes Vater Geronte, Amme Jaqueline, die Bediensteten Valere und Lucas sowie Lucindes Verlobten Leandre – gehörig auf Trab. Ingrid Schütze überzeugt in diesem eingespielten Ensemble gleichfalls als energische, gepeinigte Ehefrau Martine und stumme jugendliche Lucinde ganz in Lila, während Veit Schumann und Frank Bendas als Valere und Lucas zwei herrlich ulkige, unbeholfene Helfer mimen. Olaf Nilsson gibt gekonnt den streng besorgten Vater Geronte in oranger Kluft mit Hut und geflochtenem Bärtchen, stets umgarnt von der leicht naiv scheinenden Amme Jaqueline (Ilka Knigge).
So kullern die Witze dieser Komödie wohl dosiert, und immer wieder untermalt vom Gitarrenspiel Eric Törsels (der gleichzeitig Lucindes Geliebten Leandre spielt), quer durch den Ruinenraum. Der wird, wie bei den sommerlichen Theaterproduktionen hier üblich, komplett ausgenutzt und auch das Publikum bleibt in einigen Szenen nicht verschont. Dabei dienen bemalte Pappkartons als einfach-funktionales, gleichzeitig aber wandelbares Bühnenbild (Ausstattung: Anja Martin). Vor allem in zweiten Halbzeit, wenn sich die Nacht über der Ruine niedersenkt, entsteht eine angenehme Theateratmosphäre.
Aus dem ehelichen Denkzettel wird so ein wunderbar unterhaltsamer Abend, an dem anfangs einige Witze zwar ein bisschen zu beliebig geraten, aber immer noch genug hintersinnige Stellen zum Schmunzeln anregen. Grandios gezeichnet sind durchweg die Charaktere der Haupt- und Nebenfiguren, wofür dem Ensemble ein großes Lob gebührt. Vor allem Frank Bendas bleibt hier in dreifacher Rolle sächselnd komisch in Erinnerung. Diagnose: Sehenswert!
Nicole Czerwinka
St. Pauli Ruine Molieres „Der Arzt wider Willen“, wieder am 30.7., 31.7., 1.8., 7.8. und 8.8., je 19.30 Uhr; 9.8., 10.8., 20 Uhr; 11.9., 12.9., 18.9. und 19.9., je 19.30 Uhr
Linktipp: www.theaterruine.de